Lernziele
Sie wissen, wodurch sich Wissensmanagement von Organisationalem Lernen und Künstlicher Intelligenz unterscheidet. Sie können den Wissensbegriff erläutern und Wissen von Information und Daten abgrenzen. Sie kennen die Aufgaben des Wissensmanagements. Sie können darlegen, welche Strategien des Wissensmanagements unter welchen Bedingungen angemessen sind. Sie kennen Aufgabenträger des Wissensmanagements.
Definitionen und Abkürzungen
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CKO = Chief Knowledge Officer.
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Communities of Practice = freiwillig und spontan gebildete Gemeinschaften von intrinsisch motivierten Fachleuten, die eine bestimmte Frage erörtern oder ein Problem lösen wollen.
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Information (information) = explizites, mitteilbares Wissen.
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Kompetenzzentrum (competence center, center of excellence) = unternehmensinterne Expertengruppe, welche für spezifische Gebiete Wissen entwickelt.
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Kodifizierung (codification) = dokumentenbasierte Wissensbewahrung und -verteilung.
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Künstliche Intelligenz (artificial intelligence) = Automatisierung von intelligentem Verhalten; Repräsentation und automatisierte Verarbeitung von Wissen.
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Organisationales Lernen (organizational learning) = jegliche, d. h. sowohl zufällige als auch bewusst herbeigeführte, Veränderung der Wissensbasis einer Organisation.
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Personalisierung (personalization) = personenzentrierte Wissensbewahrung und -verteilung.
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tacit knowledge = implizites Wissen, welches sich nicht oder nur schwer explizieren lässt.
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Unternehmenskultur (corporate culture) = Muster von Prämissen (z. B. Normen, Werte und Wahrnehmungen), das von den Unternehmensmitgliedern im Umgang mit der externen und internen Umwelt erlernt und durch Sozialisation weitergegeben wird.
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Wissen (knowledge) = Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten zur Lösung von Problemen.
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Wissensbasis (knowledge base, organizational memory) = Gesamtheit des in einem Unternehmen verfügbaren relevanten Wissens.
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Wissensbestand (knowledge asset) = inhaltlich zusammenhängende Teilmenge der Wissensbasis.
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Wissensobjekt (knowledge object) = Einheit, die Wissen repräsentiert. Synonym: Wissenselement.
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Wissenslücke (knowledge gap) = benötigtes, aber nicht verfügbares Wissen. Synonym: Wissensdefizit.
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Wissensmanagement (knowledge management) = Führungsaufgabe, die sich mit der zielorientierten Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen befasst.
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Wissensmanagementstrategie (knowledge management strategy) = grundsätzliche Festlegungen zur Gestaltung des Wissensmanagements.
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Wissensträger (knowledge bearer) = Aufgabenträger, der über relevantes Wissen verfügt.
Zweck des Wissensmanagements
Organisationales Lernen und Künstliche Intelligenz
Wissensbegriff
Einflussfaktoren und Handlungsfelder
Aufgaben des Wissensmanagements
Strategien des Wissensmanagements
Aufgabenträger des Wissensmanagements
Forschungsbefunde
Helm/Meckl/Sodeik systematisieren Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements auf der Grundlage empirischer Forschung (Sekundäranalyse von 39 Studien mit Ergebnissen zu Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements: 32 quantitativ ausgerichtete Querschnittsanalysen, vier Delphi-Studien, die sowohl qualitative als auch quantitative Forschung enthalten und interaktiv auf Erfolgsfaktoren schließen, zwei quantitative Auswertungen von Fallstudien/Wissensprojekten und eine Untersuchung mit Ergebnissen aus Besuchen von Fachmessen und qualitativen Experteninterviews. Der Untersuchungsschwerpunkt der Studien liegt in Nordamerika und Europa; vier der Studien wurden weltweit durchgeführt, fünf bezogen sich ausschließlich auf den deutschsprachigen Raum; Publikationszeitraum der Studien zwischen 1996 und Juni 2004.) Helm/Meckl/Sodeik identifizierten mehr als 80 Erfolgsfaktoren sowie Hindernisse/Barrieren und systematisieren diese mit folgenden Dimensionen, Kategorien und Untersuchungsfeldern: Personal (Personalführung, -motivation und -entwicklung), Struktur (Organisation und Technik), Kultur (Ebene der Organisation und Profil der Akteure) und Wissensmanagement-Aktivitäten (Wissensansammlung und ‑anwendung).
Earl/Scott (Interviews mit 20 CKOs in Nordamerika und Europa, keine Angaben zu Grundgesamtheit und Untersuchungszeitraum) und Guns (Interviews mit 25 CKOs großer Unternehmen in den Vereinigten Staaten, keine Angaben zu Grundgesamtheit und Untersuchungszeitraum) stellen übereinstimmend fest, dass die Hauptaufgaben von CKOs sowohl im technischen als auch im organisatorischen bzw. im sozialen Bereich liegen. Die CKOs sind sowohl dafür verantwortlich, dass geeignete technische Infrastrukturen zur Unterstützung des Wissensmanagements zur Verfügung gestellt werden, als auch dafür, dass ein organisatorisches und soziales Umfeld für die Mitarbeiter geschaffen wird, welches die Bewältigung der Aufgaben des Wissensmanagements erleichtert und die notwendigen Veränderungen unterstützt. Guns identifiziert sieben wesentliche Herausforderungen für einen CKO: „Setting knowledge management strategic priorities, ... getting a knowledge (best practice) database up and running, ... gaining commitment of business leaders to better support a learning environment, ... transforming a centre for shared intelligence into that of intelligence provocateurs, ... putting in place a process for managing intellectual assets, ... obtaining customer satisfaction information from customers in ‚near' real-time, and globalizing knowledge management". (316 f.)
McKeen/Staples untersuchten Aufgaben und Herausforderungen von Knowledge Managern („knowledge management experts who work closely with business units or are even a part of the business unit", 23) (schriftliche Befragung von Teilnehmern einer Konferenz zum Wissensmanagement, keine Angaben zur Größe der Grundgesamtheit; 92 % der Befragungsteilnehmer arbeiten in Nordamerika, 5 % in Europa und 3 % in Asien, Untersuchungszeitraum 2001). Als typische Aufgaben der Knowledge Manager wurden genannt: Einrichtung eines Intranets, Erstellung von Wissensverzeichnissen, Einrichtung von Data Warehouses, Etablierung von unternehmensinternen Netzwerken der Wissensarbeiter, Implementierung von Groupware-Werkzeugen für die unternehmensinterne Zusammenarbeit, Erstellung von Wissenskarten, Einführung wissensintensiver Produkte und Prozesse, Einrichtung neuer Rollen des Wissensmanagements und Implementierung von Entscheidungsunterstützungssystemen. Als größte Herausforderungen bezeichneten die Teilnehmer: Herbeiführung von Verhaltensänderungen der Mitarbeiter, Messung des Wertes und des Leistungsbeitrags von Wissensbeständen (knowledge assets), Rechtfertigung der Nutzung knapper Ressourcen für Wissensmanagementvorhaben. Die drei durchschnittlich am schwächsten ausgeprägten Fähigkeiten des Wissensmanagements in den Unternehmen sind: Messung der Wirkungen des Wissensmanagements, Messung des Wertes von Wissensbeständen und Beförderung der Wissensteilung (knowledge sharing) durch geeignete Anreize.
In der Regel wird vermutet, dass Entscheidungsträger unternehmensinternes Wissen höher schätzen als Wissen von Externen. Dieser Sachverhalt wird auch als Not-invented-here-Syndrom bezeichnet. Menon/Tompson/Choi untersuchten (zwei Fallstudien in amerikanischen Unternehmen und Experimente mit über 130 berufserfahrenen Studierenden in weiterbildenden Managementstudiengängen, Untersuchungszeitraum nicht angegeben), ob Wissen aus internen Quellen tatsächlich höher bewertet wird als Wissen aus externen Quellen. Sie fanden heraus, dass Führungskräfte oft eher bereit sind, Wissen von Externen zu verwenden als von Kollegen oder Mitarbeitern. Menon/Tompson/Choi führen dafür drei Gründe an. Erstens werden Kollegen und Mitarbeiter oft als Rivalen im Streben nach Ansehen, Macht, Bezahlung und Aufstiegschancen angesehen. In dem Maße, in dem Ideen und Ratschläge von Kollegen und Mitarbeitern übernommen werden, verschlechtert sich die eigene, betriebsinterne Wettbewerbsposition. Wird hingegen Wissen von konkurrierenden Unternehmen angenommen, kann sich die Wettbewerbsposition des Unternehmens verbessern. Mitarbeiter, die externes Wissen verwenden, tragen damit zur Sicherheit ihres eigenen Arbeitsplatzes bei. Zweitens kann internes Wissens leichter überprüft und bewertet werden als externes Wissen. Internes Wissen wird oft als minderwertig angesehen, weil dessen Schwachstellen leichter erkannt werden können, als die von externem Wissen. Drittens ist Wissen von Externen oft schlechter zugänglich als internes Wissen. Die Akquisition externen Wissens ist mit höheren Kosten verbunden. Dieses Wissen erscheint daher wertvoller.
Aus der Praxis
Edmundson berichtet über den erfolgreichen Einsatz von Communities of Practice bei Schlumberger, einem international tätigen Unternehmen der Öl- und Gasindustrie. In diesem Unternehmen sind mehr als 5200 Fachkräfte in Communities of Practice zusammengeschlossen, um eine effizientere Wissensverteilung zu ermöglichen. Solche Gemeinschaften haben sich unter anderem zu den Themen IT, Mathematik und Geophysik gebildet. Die Gemeinschaften nutzen Workshops und Websites für die Wissensverteilung.
Laut Birk/Müller besteht die Struktur des Wissensmanagements bei Siemens Medical Solutions aus sechs Pfeilern. Im Rahmen des Top Management Supports wurden Führungskräfte benannt, welche für das Wissensmanagement in den Bereichen Führung, Personal, Strategie, Ressourcen, Forschung und Entwicklung, Produktion/Supply Chain, Marketing, Verkauf und Kundendienst zuständig sind. Zur einfacheren Identifikation relevanten Wissens wurde eine unternehmensweite aufgabenorientierte Strukturierung des Wissens verwendet, die es den Mitarbeitern erleichtern soll, relevantes Wissen zu finden. Communities of Practice helfen den oft geografisch verteilten Experten, Wissen auszutauschen. Web-basierte, benutzerfreundliche Informationssysteme erleichtern den Zugang zu kodifiziertem Wissen. Zur Unterstützung des Wissensmanagements haben sich folgende Elemente als hilfreich herausgestellt: ein für das weltweite Wissensmanagement zuständiges Team, Ausbildungs- und Trainingsprogramme zum Wissensmanagement für alle Mitarbeiter, Bewertungskriterien für Wissensbestände und -objekte sowie ein Team, das insbesondere für die Qualitätssicherung von Inhalten zuständig ist, die im Intranet zur Verfügung gestellt werden. Um anfängliche Widerstände gegen das Wissensmanagement zu überwinden, wurde ein Anreizsystem etabliert, das insbesondere die Weitergabe individuellen Wissens und die länderübergreifende Zusammenarbeit fördern soll.
Methodenverweise
Kontrollfragen
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Worin besteht der Unterschied zwischen implizitem Wissen und tacit knowledge?
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Inwiefern unterscheidet sich Wissen von Information?
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Wie kann man die Aufgaben des Wissensmanagements strukturieren?
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Welches sind typische Aufgaben eines Chief Knowledge Officers?
- Welche Wissensmanagementstrategie eignet sich unter welchen Rahmenbedingungen?
Quellen
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Vertiefungsliteratur
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Informationsmaterial
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BITKOM Arbeitskreis Knowledge Engineering and Management (AK KEM)
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Community of Knowledge (Sammlung von Informationen zum betrieblichen Wissensmanagement)
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Knowledge Management Network (Sammlung von Online-Ressourcen zum Wissensmanagement von Y. Malhotra)
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Wissensinitiativen des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)
Links
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Abbildungsarchiv: Wissensmanagement (WIMAN)