Qualitätsmanagement (QUALM)

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Lernziele

Sie können den Zweck des Qualitätsmanagements (abgekürzt QM), den Qualitätsbegriff sowie verschiedene Sichten und Aufgaben des QM erklären. Sie kennen wichtige Sichten und Prinzipien des QM. Sie wissen, aus welchen Elementen ein QM-System besteht. Sie erkennen die wirtschaftliche Bedeutung der Qualität für IT-Prozesse und für Komponenten der Informationsinfrastruktur.

Definitionen und Abkürzungen

  • Anforderung (requirement) = Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist. Synonym: Qualitätsanforderung.

  • Kunde (customer) = Abnehmer von Leistungen innerhalb oder außerhalb von Unternehmen (interner oder externer Kunde).

  • PDCA = Plan-Do-Check-Act; Zyklus der kontinuierlichen Verbesserung.

  • Produkt (product) = Ergebnis eines Leistungserstellungsprozesses, also nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Produkte und Dienstleistungen.

  • Prozess (process) = Menge interdependenter Teilaufgaben, die durch Eingaben (Input), interne Funktionen und Ausgaben (Output) gekennzeichnet ist.

  • QM-Maßnahme (quality management measure) = Maßnahme, deren Zweck es ist, die Realisierung einer definierten Qualitätsanforderung zu gewährleisten.

  • Qualitätsanforderung (quality requirement) = geforderte Ausprägung eines Qualitätsmerkmals eines Objektes. Synonym: Anforderung.

  • Qualitätslenkung (quality control) = Teil des QM, der auf die Erfüllung von Qualitätsanforderungen ausgerichtet ist und dessen wesentliches Element die Qualitätsprüfung ist.

  • Qualitätsmerkmal (quality characteristic) = relevante Eigenschaft eines Objektes, die sich auf eine Anforderung bezieht. Synonym: Qualitätseigenschaft.

  • Qualitätsmodell (quality model) = System aus Qualitätsmerkmalen und deren Beziehungen zur Spezifizierung von Anforderungen und zur Beurteilung der Qualität eines Objektes.

  • Qualitätsplanung (quality planning) = Teil des QM, der Qualitätsziele, notwendige Prozesse sowie Ressourcen zur Erreichung der Qualitätsziele festlegt.

  • Qualitätspolitik (quality policy) = durch das Top-Management formell ausgedrückte Absichten und Ziele des Unternehmens zur Qualität.

  • Qualitätssicherung (quality assurance) = Teil des QM, der darauf ausgerichtet ist, Vertrauen zu erzeugen, dass Qualitätsanforderungen erfüllt werden.

  • Qualitätsverbesserung (quality improvement) = Teil des QM, der darauf ausgerichtet ist, die Fähigkeit zur Erfüllung von Qualitätsanforderungen zu verbessern.

  • Qualitätsziel (quality objective) = Qualität betreffendes, strategisches Formalziel.

  • SPI = Software Process Improvement; Verbesserung von Softwareentwicklungsprozessen.

  • TQM = Total Quality Management; ganzheitliches bzw. umfassendes QM.

  • Zertifizierung (certification) = Bestätigung durch eine autorisierte Prüfstelle, dass ein Objekt definierten Anforderungen entspricht.

Zweck des Qualitätsmanagements

Die ISO-9000-Familie umfasst verschiedene QM-Normen. ISO 9000 beschreibt Grundlagen des QM und definiert Begriffe für QM-Systeme. ISO 9001 legt Anforderungen an QM-Systeme fest und bildet die Grundlage für eine Zertifizierung dieser Systeme. ISO 9004 ist ein Leitfaden zur Leistungsverbesserung einer Organisation. ISO 19011 gibt Anleitungen für das Auditieren von QM- und Umweltmanagementsystemen. ISO/IEC 9126 beschreibt Qualitätsmerkmale für Software. ISO/IEC 14598 gibt Hinweise zur Evaluierung von Software. Die beiden letztgenannten Normen werden in die ISO/IEC 25000 überführt, in der Qualitätsmerkmale und Hinweise zur Evaluierung von Software zusammengefasst werden. ISO 10006 ist ein Leitfaden für QM in Projekten. ISO/IEC 15504 gibt Anleitungen zur Evaluierung von IT-, insbesondere Softwareentwicklungsprozessen (vgl. Lerneinheit MEQUA).

Qualität, Qualitätsmerkmal, -maß und -modell
Objekte und Sichten des Qualitätsmanagements
Qualitätsmanagementsysteme
Aufgaben des Qualitätsmanagements
Dokumentation im Qualitätsmanagement

Forschungsbefunde

Dyba untersucht Faktoren, die den Erfolg von SPI-Vorhaben maßgeblich beeinflussen (schriftliche Befragung von 154 Software- und Qualitätsmanagern in norwegischen IT-Unternehmen, 120 Antworten aus 55 Unternehmen, Untersuchungszeitraum nicht angegeben). Der Erfolg von Vorhaben zur Softwareprozessverbesserung (SPI-Erfolg) wird gemessen mit Hilfe der von den Teilnehmern wahrgenommenen, substanziellen 1) Erhöhung der Software-Engineering-Kompetenz des Unternehmens, 2) Erhöhung der Gesamtleistung des Unternehmens, 3) Senkung der Entwicklungskosten, 4) Reduzierung der Entwicklungszeiten und 5) Erhöhung der Kundenzufriedenheit. Folgende Faktoren beeinflussen den SPI-Erfolg: Ausrichtung der SPI-Ziele an den geschäftlichen Zielen des Unternehmens (business orientation), Managementunterstützung (involved leadership), Mitarbeiterbeteiligung (employee participation), Nutzung der Ergebnisse quantitativer Analysen (concern for measurement), Verwertung von bereits existierendem Wissen (exploitation of existing knowledge) und Schaffung neuen Wissens (exploration of new knowledge). Die Kontextvariablen Unternehmensgröße und Dynamik der Rahmenbedingungen haben keinen wesentlichen Einfluss auf den von den Teilnehmern wahrgenommenen SPI-Erfolg.
Dyba, T.: An Empirical Investigation of the Key Factors for Success in Software Process Improvement. In: IEEE Transactions on Software Engineering 5/2005, 410–424


Nach einer empirischen Studie von Price Waterhouse (schriftliche Befragung, N = 95 zertifizierte Unternehmen verschiedener Branchen, Befragungszeitraum 1992) wird auf den ersten Rängen „Steigerung der Mitarbeitermotivation“, „Verbesserung der Kundenzufriedenheit“, „Bevorzugung gegenüber nicht zertifizierten Konkurrenten“ und „Reduzierung von Reklamationen“ als deutlich erkennbarer Nutzen einer Zertifizierung angegeben. Auf den weiteren Rängen folgen „Verbesserung der Produktqualität“, „Reduzierung von Qualitätskosten“, „Reduzierung von Nacharbeit“, „Vorteile im Bereich der Produkthaftung“ und „Verbesserung der Termintreue“. Unternehmen mit TQM geben bei allen Nutzenkategorien höhere, teilweise wesentlich höhere Nutzeffekte an (insbesondere bei „Verbesserung der Kundenzufriedenheit“ und „Verbesserung der Termintreue“). Die Befunde zeigen, dass durch Zertifizierung zwar Nutzeffekte erzielt werden können, dass durch Zertifizierung und die damit bestätigte Erfüllung der Mindestforderungen der ISO 9001 die Verbesserungspotentiale aber nicht ausgeschöpft werden können.
Englert, N. / Pfriem, S.: Studie über den Nutzen von ISO 9000. Price Waterhouse, Frankfurt 1993


Wallmüller berichtet über den forschungsmethodischen Ansatz und die Ergebnisse einer von Ernst & Young in Zusammenarbeit mit der American Quality Foundation durchgeführten Untersuchung über Qualitätspraktiken u. a. (Stichprobenanalyse, N = 500 Unternehmen, schriftliche Befragung, Erhebungszeitraum März bis August 1991): Regelmäßige Qualitätsreviews werden in den USA in 18 %, in Kanada in 14 %, in Deutschland und Japan in 2 % der Unternehmen durchgeführt. Nur 5 % der deutschen Unternehmen verwenden Konkurrenzvergleiche als Grundlage für die strategische Qualitätsplanung, in Kanada sind dies 25 %, in den USA 29 % und in Japan 32 %. In 39 % der japanischen Unternehmen nehmen mehr als 75 % der Mitarbeiter an regelmäßigen Qualitätsbesprechungen teil, in Kanada sind es 15 %, in den USA 16 % und in Deutschland 5 %. Diese und ähnliche Befunde zeigen den deutlichen Abstand im Qualitätsmanagement zwischen Japan, Nordamerika und Europa.
Wallmüller, E.: Ganzheitliches Qualitätsmanagement in der Informationsverarbeitung. München/Wien 1995


Wang/Strong entwickelten ein Rahmenkonzept (framework) zur Messung von Datenqualität, welches die Merkmale berücksichtigt, die aus Sicht des Datennutzers (data consumer) qualitätsbestimmend sind. Im Sinn des Konzepts „fitness for use“ wird Datenqualität als „data that are fit for use by data consumer“ definiert. Das Rahmenkonzept besteht also aus einem hierarchisch strukturierten System von Qualitätsmerkmalen, dessen Elemente aus Sicht der Datennutzer relevant sind. Explorative Anwendungen des Rahmenkonzepts haben gezeigt, dass es damit möglich ist, Qualitätsmängel zu erkennen und insbesondere Abweichungen zwischen der aus Sicht des IT-Managements bestehenden „perfekten Qualität“ und der Qualität aus Sicht der Datennutzer festzustellen.
Wang, R. Y. / Strong, D. M.: Beyond Accuracy: What Data Quality Means to Data Consumers. In: Journal of Management Information Systems 4/1996, 5-34


Osterweil et al. berichten als Ergebnis einschlägiger empirischer Untersuchungen zur Qualitätsmessung, „that 50 - 60 % of the effort involved in producing large software systems is devoted to quality assessment activities such as testing, and the percentage may be siginificantly higher for live-critical software systems.”
Osterweil, L. et al.: Strategic Directions in Software Quality. In: ACM Computing Surveys 12/1996, 738-750


Mellis/Stelzer beschreiben das so genannte Rätsel des prozessorientierten Software-Qualitätsmanagements auf Grund empirischer Beobachtung wie folgt: Einige Softwareunternehmen sind weltweit erfolgreich, obwohl sie kein Qualitätsmanagement betreiben, andere sind nicht sonderlich erfolgreich, obwohl sie über ein gut entwickeltes Qualitätsmanagement verfügen. Die Erklärung dafür ist, dass der mit dem Qualitätsmanagement verbundene Anspruch, die Stabilisierung der Entwicklungsprozesse wirke sich in jedem Fall nachhaltig positiv auf den Unternehmenserfolg aus, unangemessen ist; vielmehr komme es auf das Unternehmensumfeld an. Unternehmen, die in einem turbulenten Umfeld agieren, müssen ihre Verbesserungsbemühungen darauf ausrichten, mit innovativen Produkten schnell auf technologische Änderungen, Änderungen im Nutzungsverhalten oder Aktionen der Mitbewerber zu reagieren. Die ohne ausgereiftes Qualitätsmanagement erfolgreichen Unternehmen agieren in einem turbulenten Umfeld; Steigerung von Flexibilität und Innovationskraft sind für den Unternehmenserfolg wichtiger als die Stabilisierung der Softwareentwicklungsprozesse.
Mellis, W. / Stelzer, D.: Das Rätsel des prozessorientierten Softwarequalitätsmanagements. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 1/1999, 31-39

Aus der Praxis

Methodenverweise

Kontrollfragen

  1. Wie ist Qualität im Zusammenhang mit der Informationsinfrastruktur definiert?

  2. Welchen Beitrag leistet Qualitätsmanagement zur Erreichung der strategischen IT-Ziele?

  3. Welches sind notwendige Elemente eines QM-Systems für den Betrieb der Informationssysteme eines Unternehmens?

  4. Wie lassen sich die Prinzipien des umfassenden Qualitätsmanagements für die IT eines mittelständischen Unternehmens konkretisieren?

  5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Qualitätsplanung, Qualitätsprüfung, Qualitätslenkung und Qualitätssicherung?

  6. In welche Aufgaben kann Qualitätsmanagement gegliedert werden?

Quellen

  • Crosby, P. B.: Quality is Free. The Art of Making Quality Certain. New York 1979

  • Harter, D. E. / Krishnan, M. S. / Slaughter, S. A.: Effects of Process Maturity on Quality, Cycle Time, and Effort in Software Product Development. In: Management Science 4/2000, 451–466

  • Deming, W. E.: Out of the Crisis: Quality, Productivity and Competitive Position. Cambridge 1992

  • Mellis, W. / Herzwurm, G. / Stelzer, D.: TQM der Softwareentwicklung. Mit Prozeßverbesserung, Kundenorientie- rung und Change Management zu erfolgreicher Software. 2. A., Braunschweig/Wiesbaden 1998

  • Slaughter, S. A. / Harter, D. E. / Krishnan, M. S.: Evaluating the Cost of Software Quality. In: Communications of the ACM 8/1998, 67–73

  • Wagner, S. et al.: Softwarequalitätsmodelle. Praxisempfehlungen und Forschungsagenda. In: Informatik-Spektrum 1/2010, 37-44

  • Wolle, B. / Müller, V.: Prozessorientiertes IT-Qualitätsmanagement. In: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik 232/2003, 66–78

Vertiefungsliteratur

  • Garvin, D.A.: What Does „Product Quality“ Really Mean? In: Sloan Management Review 1/1984, 25–45

  • Imai, M.: KAIZEN – Der Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerb. 2. A., München 2001

  • Pfeifer, T. / Schmitt (Hrsg.), R.: Masing. Handbuch Qualitätsmanagement. 5. A., München/Wien 2007

Informationsmaterial

Normen

  • ISO 8402:1995 Qualitätsmanagement – Begriffe [zurückgezogen]

  • ISO 9000:2005 Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe

  • ISO 9001:2008 Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen

  • ISO 9004:2009 Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation – Ein Qualitätsmanagementansatz

  • ISO 10005:2005 Quality management systems - Guidelines for quality plans

  • ISO 10006:2003 Quality management systems - Guidelines for quality management in projects

  • ISO 19011:2002 Leitfaden für Audits von Qualitätsmanagement- und/oder Umweltmanagementsystemen

  • ISO/IEC 9126-1:2001 Software engineering - Product quality -Part 1: Quality model

  • ISO/IEC 14598-1:1999 Software product evaluation -Part 1: General overview

  • ISO/IEC 15504-1:2004 Information technology - Process assessment - Part 1: Concepts and vocabulary

  • ISO/IEC 25000:2005 Software engineering – Software product Quality Requirements and Evaluation (SQuaRE) – Guide to SquaRE

  • ISO/IEC 25010:2011 Systems and software engineering -- Systems and software Quality Requirements and Evaluation (SQuaRE) -- System and software quality models

  • Abbildungsarchiv: Qualitätsmanagement (QUALM)