Methoden des Geschäftsprozessmanagements (MEGPM)

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Lernziele

Sie können ausgewählte Methoden des Geschäftsprozessmanagements (GPM) mit ihren wesentlichen Eigenschaften erläutern. Sie haben einen Überblick über Sprachen, Referenzmodelle und Werkzeuge zur Modellierung von Geschäftsprozessen. Sie wissen, mit welchen Hilfsmitteln Prozesse implementiert und automatisiert werden können. Sie kennen die Bedeutung des Benchmarking und der Balanced Scorecard für die Prozessevaluierung.

Definitionen und Abkürzungen

  • ARIS = Architektur integrierter Informationssysteme

  • BPEL = Business Process Execution Language

  • BPML = Business Process Modeling Language

  • BPMN = Business Process Modeling Notation

  • BPR = Business Process Reengineering

  • BSC = Balanced Score Card (oder Balanced Scorecard); ein kennzahlenbasiertes Führungsinstrument

  • CASE = Computer Aided Software Engineering

  • EPK (event-driven process chain) = ereignisgesteuerte Prozesskette; Modellierungssprache für Geschäftsprozesse

  • eEPK = erweiterte ereignisgesteuerte Prozesskette

  • GPM = Geschäftsprozessmanagement

  • OASIS = Organization for the Advancement of Structured Information Standards; internationales Konsortium, das IT-Standards entwickelt

  • OMG = Object Management Group; Konsortium von IT-Herstellern, das Standards für die herstellerunabhängige Entwicklung von Informationssystemen verfasst

  • Prozesskostenrechnung (process cost allocation) = Verrechnung der nicht direkt zurechenbaren Kosten auf Produkte und Dienstleistungen proportional zu den Prozessmengen, die sie beansprucht haben

  • SCM = Supply Chain Management; Lieferkettenmanagement

  • SCOR = Supply-Chain-Operations-Reference-Modell; Referenzmodell zur Gestaltung von überbetrieblichen Geschäftsprozessen im Rahmen des SCM

  • SOA = serviceorientierte Architektur

  • UML = Unified Modeling Language

  • Web Service = Softwarekomponente, die mit Hilfe von Internettechnologien einen Dienst zur Verfügung stellt

  • WfMC = Workflow Management Coalition

  • Workflow = ausführbares Abbild eines Geschäftsprozesses

  • XML = Extensible Markup Language

  • XPDL = XML Process Definition Language

Zweck der Methoden des GPM
Prozessidentifizierung
Prozessanalyse
Prozessmodellierung
Prozessimplementierung und -automatisierung
Prozessevaluierung
Prozessverbesserung

Forschungsbefunde

Heidemann/Kamprath/Müller analysierten die ökonomischen Auswirkungen der Integration von Kunden als Aufgabenträger in Geschäftsprozesse (Entwicklung eines quantitativen Entscheidungsmodells und Anwendung des Modells am Beispiel eines Versicherungsunternehmens). Das Modell unterstützt Entscheidungsträger dabei, herauszufinden, ob es ökonomisch sinnvoll ist, Softwarefunktionen zur Verfügung zu stellen, mit denen Kunden Teilaufgaben selbst ausführen können. Maßnahmen zur Kundenintegration wurden als Investitionsauszahlungen berücksichtigt und untersucht, ob diese durch mögliche Kostensenkungen in Geschäftsprozessen oder Erhöhungen von Mittelzuflüssen gerechtfertigt werden können. Als Bewertungskriterium diente der Barwert der resultierenden Ein- und Auszahlungen.

Das Entscheidungsmodell wurde in einem Antragsprozess für einfache, nicht beratungsintensive Produkte für Privatkunden (wie z. B. eine Privat-Haftpflichtversicherung) in einem international tätigen deutschen Versicherungsunternehmen angewendet. In dem Unternehmen wurden Mitarbeiter aus den Bereichen IT, Betriebsorganisation, Controlling und Marktmanagement gebeten, die zu erwartenden Kosten und Mittelzuflüsse zu schätzen, die durch Kundenintegration verursacht werden. Zusätzlich wurden Kunden befragt, wie sie ihre Verhaltensänderungen einschätzen, falls sie einen Teilprozess selbstständig durchführen können.

Das Entscheidungsmodell unterstützt die Ermittlung des Cash Flow der möglichen Maßnahmen zur Kundenintegration (aus Vereinfachungsgründen wurde davon ausgegangen, dass alle Projektkosten unmittelbar zahlungswirksam werden, zukünftige Einzahlungen wurden mit einem Kalkulationszins von 6 % pro Jahr abgezinst). Dabei werden berücksichtigt (a) einmalige Investitionszahlungen für Bereitstellung von Softwarefunktionen und Hardware sowie für Projekt-, Change- und Geschäftsprozessmanagement, für Mitarbeiterschulung und die Änderung des Provisionsmodells für den Vertrieb und (b) laufende Auszahlungen für den Prozessbetrieb pro Jahr, u. a. für das Management der fachlichen Schnittstelle zum Kunden, Personal, Material und Miete sowie Wartung und Aktualisierung. Den Kosten wird der durch die Integration veränderte „Kundenwert“ gegenübergestellt, der sich aus Kennzahlen zur Kundenbindung, Kundenpotenzial und Kundenrentabilität zusammensetzt. Außerdem wurden die erwarteten Veränderungen der Weiterempfehlungs-, Bindungs- und Wiederkaufsverhalten der Kunden erfasst.

Es wurden 16 verschiedene Integrationsvarianten untersucht, deren Cash Flow zwischen 200.000 EUR (für eine Teilaufgabe, deren Veränderung zwar Kosten, aber keine Einzahlungen verursacht) und 196.800 EUR liegt. Diese Zahlen können nicht auf andere Prozesse, Sparten des Versicherungsunternehmens oder andere Unternehmen übertragen werden. Das Modell selbst kann aber vergleichbare Entscheidungen über die Einbindung von Kunden in Geschäftsprozesse unterstützen.

Heidemann, J. / Kamprath, N. / Müller, A.-L.: Die Integration des Kunden in Geschäftsprozesse – ein ökonomisches Modell und dessen Anwendung am Beispiel eines Versicherungsunternehmens. In: Bernstein, A. / Schwabe, G. (Hrsg.): Proceedings of the 10th International Conference on Wirtschaftsinformatik WI 2.011. Volume 1. Zürich 2011, 119–128


Recker beschreibt die Ergebnisse einer Studie (Web-basierte Befragung von 590 BPMN-Nutzern weltweit, Grundgesamtheit nicht angegeben, Untersuchungszeitraum Mai bis August 2007) zur Modellierung von Geschäftsprozessen mit Hilfe von BPMN. 36 % der Teilnehmer nutzen nur wenige Notationselemente von BPMN, um einfache Prozessmodelle zu entwickeln. 37 % verwenden einen großen Teil der angebotenen Symbole, lediglich 27 % nutzen die volle Funktionalität von BPMN. Folgende Funktionen erwarten die Teilnehmer von einem Werkzeug zur Modellierung von Geschäftsprozessen:

  • Ein integriertes Repository zur Verwaltung verschiedener Modelle (46,4 %),

  • Navigation in verschiedenen Ebenen von Prozessmodellen (56,2 %),

  • zusätzliche Attribute, mit denen Modellelemente beschrieben werden können (42,6 %),

  • Nutzung verschiedener Notationen und Modellierungsmethoden (31,7 %),

  • Nutzung von Symbolen, die in der BPMN-Notation nicht vorhanden sind (26,4 %),

  • direkter Zugang zu ergänzenden Dokumenten aus den Prozessmodellen heraus (41,9 %) sowie

  • Filter, um die Nutzung bestimmter Symbole einschränken zu können (21,1 %).

Obwohl Microsoft Visio sich lediglich zur Visualisierung von Geschäftsprozessen eignet und nicht über Funktionen zur Verwaltung von Modellen (z. B. Benutzerverwaltung, Metadatenmanagement oder Modell-Repository) verfügt, ist es das am meisten genutzte Werkzeug zur Prozessbeschreibung. 18,2 % der Befragten nutzen dieses Werkzeug und z. B. lediglich 3,3 % ARIS.

Aus der Praxis

Winkler/Lehnhardt berichten über ein Projekt zur Einführung des kontinuierlichen Geschäftsprozessmanagements bei der Lufthansa Cargo AG. Das Projekt wurde mit Hilfe des Plan-Do-Check-Act-Zyklus (vgl. Lerneinheit QUALM) strukturiert. Zur Gruppierung und Ableitung von Kennzahlen für das Prozesscontrolling diente die BSC. Als Modellierungswerkzeug wurde der Casewise Corporate Modeler verwendet. Mit einem individuell entwickelten Werkzeug wurden alle modellierten Geschäftsprozesse zusammen mit Problemen, Best Practices und Neuigkeiten zu den Prozessen dokumentiert. Da die Darstellung der Prozessmodelle in grafischer Form als EPK und Wertkettendiagramme „nur wenigen Mitarbeitern leicht verständlich ist“ (557), wurden zusätzlich alternative Darstellungsmöglichkeiten erarbeitet. Seit der Einführung des GPM „hat sich die Zusammenarbeit von IT und Fachbereich stetig verbessert“ (558).

Aufgabenverweise

Fallstudienverweis

Kontrollfragen

  1. Zu welchen Zwecken werden Geschäftsprozesse modelliert?

  2. Welche Eigenschaften von Geschäftsprozessen können besser mit Wertkettendiagrammen, welche mit eEPK und welche mit UML-Aktivitätsdiagrammen abgebildet werden?

  3. Wie können Referenzmodelle die Modellierung von Geschäftsprozessen unterstützen?

  4. Welche Unterstützung bieten Softwarewerkzeuge für die Automatisierung von Geschäftsprozessen?

  5. Wie können Geschäftsprozesse evaluiert werden?

  6. Welche Arten von Modellierungswerkzeugen für das GPM lassen sich unterscheiden?

  7. Mit Hilfe welcher Werkzeuge lassen sich Geschäftsprozesse automatisieren?

Quellen

  • Becker, J. / Schütte, R.: Handelsinformationssysteme. Domänenorientierte Einführung in die Wirtschaftsinformatik. 2. A., Frankfurt a. M. 2004

  • Gadatsch, A.: Grundkurs Geschäftsprozess-Management. Methoden und Werkzeuge für die IT-Praxis: Eine Einführung für Studenten und Praktiker. 4. A., Wiesbaden 2005

  • Kaplan, R. S. / Norton, D. P.: Balanced Scorecard. Stuttgart 1997

  • Nägele, R. / Schreiner, P.: Bewertung von Werkzeugen für das Management von Geschäftsprozessen. In: ZfO - Zeitschrift Führung und Organisation 4/2002, 201-210

  • Nissen, V. / Seifert, M.: Das Consulting C - Grundzüge eines Prozessreferenzmodells für Beratungsunternehmen. In: Bichler, M. et al. (Hrsg.): Proceedings der Multikonferenz Wirtschaftsinformatik, München 26.-28.02.2008. Berlin 2008, 1661-1674

  • Oestereich, B.: Analyse und Design mit UML 2.0. Objektorientierte Softwareentwicklung. 8. A., München/Wien 2006

  • Overhage, S. / Schlauderer, S. / Birkmeier, D.: Sind Ereignisgesteuerte Prozessketten besser für Fachanwender geeignet als UML Aktivitätsdiagramme? Eine empirische Untersuchung. In: Bernstein, A. / Schwabe, G. (Hrsg.): Proceedings of the 10th International Conference on Wirtschaftsinformatik WI 2.011. Volume 2. Zürich 2011, 745–755

  • Porter, M. E.: Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York 1985

  • Recker, J.: BPMN Modeling - Who, Where, How and Why. In: Business Process Trends 3/2008, 1-8

  • Scheer, A.-W.: Wirtschaftsinformatik: Referenzmodelle für industrielle Geschäftsprozesse. 7. A., Berlin 1997

  • Schlimm, N.: Serviceorientierte Architektur - eine Standortanalyse. In: Informatik Spektrum 3/2010, 282–287

  • Software Engineering Institute: CMMI for Development, Version 1.3. CMMI-DEV, V1.3. CMU/SEI-2010-TR-033. Pittsburgh, PA 2010

  • Supply Chain Council: Supply Chain Operations Reference-model. SCOR Overview Version 10.0. Cyprus, TX. http://supply-chain.org/SCOR; Abruf: 22. Juni 2011

  • Winkler, A. / Lehnhardt, S.: Geschäftsprozessmanagement in der Lufthansa Cargo AG. In: Schmelzer, H. J. / Sesselmann, W. (Hrsg.): Geschäftsprozessmanagement in der Praxis. Kunden zufrieden stellen - Produktivität steigern - Wert erhöhen. 6. A., München 2008, 543-561

Vertiefungsliteratur

  • Bernstein, P. A.: Middleware: a model for distributed system services. In: Communications of the ACM 2/1996, 86–98

  • Conrad, S. et al.: Enterprise Application Integration. Grundlagen - Konzepte - Entwurfsmuster - Praxisbeispiele. Heidelberg 2006

  • Erl, T.: Service-Oriented Architecture: Concepts, Technology, and Design. Upper Saddle River et al. 2005

  • Erl, T.: SOA: Principles of Service Design. Upper Saddle River 2008

  • Linthicum, D. S.: Enterprise Application Integration. Boston/San Francisco/New York 2000

  • Richter, J.-P. / Haller, H. / Schrey, P.: Serviceorientierte Architektur. In: Informatik Spektrum 5/2005, 413–416

  • Ruh, W. / Maginnis, F. X. / Brown, W. J.: Enterprise Application Integration. New York/Chichester/Weinheim 2001

  • Karcher, A.: Middleware. In: Kurbel, K. et al. (Hrsg.): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik - Online-Lexikon. München 4. A. 2010, o. S. http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de

Informationsmaterial

Normen

  • ISO/IEC 19501:2005 Information technology - Open Distributed Processing - Unified Modeling Language (UML) Version 1.4.2

  • ISO/IEC 19793:2008 Information technology - Open Distributed Processing - Use of UML for ODP system specifications

  • Abbildungsarchiv: Methoden des Geschäftsprozessmanagements (MEGPM)