Kosten- und Leistungsrechnung (KOLER)

Lernziele

Sie kennen die Zwecke der Kosten- und Leistungsrechnung für die IT. Sie können die Verrechnung durch Kostenumlage bzw. durch Verrechnungspreise als alternative Methoden der Auftragsrechnung erklären. Sie können begründen, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung von Verrechnungspreisen zweckmäßig und welche Art von Verrechnungspreis geeignet ist. Sie kennen die Bedeutung von Leistungsportfolios, Kostenarten und Kostenstellen und können Beispiele für Leistungen, Kostenarten und Kostenstellen nennen.

Definitionen und Abkürzungen

  • Auftrag (job) = Aufforderung zur Erbringung einer definierten Leistung

  • Betriebsmittel (production facility) = zur Abarbeitung eines Auftrags zur Verfügung stehende Hardware und Software sowie Personal und andere Hilfsmittel

  • Grenzkosten (marginal costs) = Kosten, die durch Veränderung der Beschäftigung um eine Produktionseinheit zusätzlich entstehen bzw. entfallen

  • Kosten (costs) = mit Geldeinheiten bewertete Konsequenzen einer Leistung bezüglich ihres Verbrauchs an Gütern und/oder Diensten

  • Kostenart (cost item) = Ergebnis der Zerlegung von Kosten nach der Art des Verbrauchs an Gütern und/oder Diensten

  • Kostenmanagement (cost management) = Managementprozess, dessen Zweck die Erfassung und Analyse der Kosten und deren zielgerichtete Beeinflussung ist

  • Kostenstelle (cost center) = Aufgaben- und Verantwortungsbereich, der Leistungen beansprucht und dem nach vereinbarten Gestaltungszielen Kosten zugerechnet werden

  • Kostenstruktur (cost structure) = Zusammensetzung von Kosten nach Kostenart und Kostenhöhe bzw. relativer Anteil der Kosten je Kostenart

  • Kostenträger (cost unit) = Leistungseinheit, der Kosten zugerechnet werden, idealer Weise die Kosten, die sie verursacht hat

  • Kostenumlage (cost allocation) = Verteilung von Kosten, die den Leistungen nicht direkt zugerechnet werden, mittels Kostenverteilungsschlüssel

  • Kostenverteilungsschlüssel (cost allocation key) = nach bestimmten Prinzipien gebildeter Algorithmus zur Verrechnung von Kosten auf Kostenstellen oder Leistungen

  • Leistung (performance) = Größe, die für die ökonomische Beurteilung des Outputs eines Systems von Bedeutung ist und als Bezugsgröße für Kosten dient

  • Nutzen (benefit) = der subjektiv beeinflussbare Wert einer Handlungsalternative zur Befriedigung eines Bedarfs

  • Nutzenpreis (benefit rate) = Preis für die Bearbeitung eines Auftrags, den ein Auftraggeber zu zahlen bereit ist. Synonym: Knappheitspreis

  • Verrechnungspreis (transfer rate) = Preis für innerbetriebliche Leistungen, die zwischen den Struktureinheiten ausgetauscht werden. Synonym: Lenkungspreis

Zwecke der Kosten- und Leistungsrechnung
Systematik der Verrechnungsmethoden
Gestaltungsziele der Auftragsrechnung
Verrechnung durch Kostenumlage
Verrechnung mit Verrechnungspreisen
Eignung unterschiedlicher Verrechnungspreise
Vergleich der Verrechnungsmethoden
Kostenarten- und Kostenstellenstruktur
Prozesskostenrechnung
Werkzeuge

Forschungsbefunde

Nach einer Studie von Ernst & Young (N = 100 IT-Verantwortliche in Schweizer Unternehmen, je 50 Interviews und schriftliche Befragungen, Untersuchungszeitraum März/April 2002) wurde in rd. 40 % der Unternehmen „ … keine Leistungsverrechnung der IT-Kosten praktiziert.“

Ernst & Young (Hrsg.): IT-Kosten und IT-Performance 2002 – Betriebswirtschaftliche Studie der Schweizer Informatikabteilungen. Bern 2002


Mayerhofer berichtet auf Grund von Erfahrungen mit dem im Demonstrationsbeispiel gezeigten Verrechnungspreissystem, dass es den Benutzern leicht fällt, den Nutzenpreis festzulegen. Das System wurde zwischen 1979 und 1994 vom Rechenzentrum der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung GmbH Göttingen (GWDG) verwendet; es wurden 26 Preisstufen angeboten. (Anmerkung: Die Verwendung wurde mit dem endgültigen Übergang von Mainframes auf ein UNIX-Cluster beendet, weil die Administrationssoftware unter UNIX den Einsatz von Prioritätsstufen bzw. Preisstufen nicht unterstützt, nicht jedoch wegen einer mangelnden Eignung von Nutzenpreisen als Verrechnungspreise.)
Mayerhofer, W.: Ansätze einer nicht-verursachungsgerechten Weiterverrechnung von Rechnerleistungen. In: Das Rechenzentrum 2/1984, 86-91


Selig berichtet bezüglich Verrechnung der DV-Kosten u. a. (schriftliche Befragung, N = 33, Untersuchungszeitraum 1982): 15 Unternehmen verrechnen mit Kostenumlage, 14 mit Verrechnungspreisen und vier verwenden ein Mischsystem aus beiden als Verrechnungsmethode. Aus diesem Befund wird die Empfehlung abgeleitet, Verrechnungspreise zu verwenden, weil dadurch in den Fachabteilungen das Interesse an einer Kontrolle der DV-Abteilung geschärft wird und gleichzeitig die Fachabteilungen in die Verantwortung für die Wirtschaft-lichkeit der Informationsverarbeitung genommen werden.
Selig, J.: EDV-Management – Eine empirische Untersuchung der Entwicklung von Anwendungssystemen in deutschen Unternehmen. Berlin et al. 1986


Griese et al. berichten folgenden Befund (explorative Studie in zwölf Unternehmen, Untersuchungszeitraum 1982-1984): Alle Unternehmen ermitteln „die Vollkosten der Datenverarbeitung“, neun Unternehmen verrechnen diese den Fachabteilungen mit Verrechnungspreisen. Die dabei verfolgten Ziele sind das Schaffen von Kostentransparenz, das Steigern des Kostenbewusstseins beim Benutzer und die Kostenkontrolle in der Fachabteilung. Außerdem sollen die Kosteninformationen dazu dienen, Wirtschaftlichkeitsrechnungen in der Fachab-teilung durchführen zu können. Drei Unternehmen behandeln die DV-Kosten als Unternehmens-Gemeinkosten.
Griese, J. et al.: Ergebnisse des Arbeitskreises „Wirtschaftlichkeit der Informationsverarbeitung“. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 7/1987, 515-551


Mummert + Partner kommen auf Grund einer empirischen Studie (N = 49 Unternehmen in Deutschland, schriftliche Befragung, Untersuchungszeitraum nicht angegeben, vermutlich 1992), die gemeinsam mit der Fachhochschule Lüneburg durchgeführt wurde, zu dem Befund, dass 75 % der Unternehmen „über eine nur in Ansätzen erkennbare Rechnungsgrundlage“ für die IT-Kosten verfügen. In 22 % der Unternehmen werden IT-Dienstleistungen „quasi als freies Gut – also ohne Weiterverrechnung“ behandelt. Bei 75 % der Unternehmen werden weniger als drei Kostenverteilungsschlüssel zur Verrechnung der IT-Kosten verwendet. Zum relativen Anteil der Kostenarten werden folgende Befunde genannt: Personal 37 %, Hardware 21 %, Software 11 %, kalkulatorische Abschreibungen 11 %, weitere Kostenarten (wie Schulung, Leistungen Dritter, Kommunikation, Material) zusammen 20 %.
Zitiert nach HANDELSBLATT vom 17.8.1993


Lacity/Hirschheim haben festgestellt, dass in elf der dreizehn untersuchten Unternehmen (Tiefeninterviews mit 36 befragten Managern, Untersuchungszeitraum 1991/1992) die IT-Abteilung (IS department) als Gemeinkostenstelle geführt wird. Sie führen den Befund darauf zurück, dass in diesen Unternehmen die IT nur als Kostenverursacher angesehen wird, nicht jedoch als eine Funktion, die einen direkten Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern kann. Sie leiten daraus die Empfehlung ab, die IT-Abteilung als Profit Center zu führen.
Lacity, M. C. / Hirschheim, R.: Information Systems Outsourcing. Myths, Metaphors and Realities. Chichester et al. 1993


Nach Angaben der Diebold GesmbH Wien verwenden 25 % der Unternehmen mit Mainfra-me-Betrieb nur eine Kostenstelle, 50 % weniger als fünf Kostenstellen. Fast 50 % der Unternehmen verrechnen die IT-Kosten über „pauschale Gemeinkostensätze“, unter 5 % verwenden ein aussagekräftiges „System von Verrechnungssätzen“.
Zitiert nach Fischer, W.: Vortragsunterlage zum IIR-Symposium am 24./25.1.1995 Wien


Spitta berichtet über die Verbreitung der Kosten- und Leistungsrechnung in mittelständischen Industrieunternehmen, dass sich „dieses heute selbstverständliche Controlling-Konzept praktisch nicht durchgesetzt hat“. 64 % der Antwortenden haben keine innerbetriebliche Leistungsverrechnung; die Verbreitung nimmt jedoch mit der Unternehmensgröße zu. (Angaben zur Untersuchungsmethode vgl. Lerneinheit CONTR.)
Spitta, Th.: IV-Controlling in mittelständischen Industrieunternehmen – Ergebnisse einer empirischen Studie. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 5/1998, 424-433

Demonstrationsbeispiel

Es wird gezeigt, wie Benutzer den Auftragsnutzen bewerten, also einen Nutzenpreis oder Knappheitspreis ermitteln. Aus der Menge möglicher Bewertungskriterien wird der Fertigstellungstermin des Auftrags verwendet. Die Benutzer wählen unter verschiedenen Prioritätsstufen und damit Preisstufen. Innerhalb einer Preisstufe werden die Aufträge nach der First-in-first-served-Regel abgearbeitet. Die Benutzer können die Warteschlange je Preisstufe abfragen und erhalten die kumulierte Bearbeitungszeit; diese ist Grundlage für die Wahl der Priorität. Das kann wie folgt aussehen (vgl. die Abbildung):

Der vom Benutzer gewünschte Fertigstellungstermin sei der nächste Morgen (T), der auf Grund der Systembelastung erwartete Fertigstellungstermin sei t. p (t≤T) gibt die subjektive Schätzung einer Wahrscheinlichkeit für die Fertigstellung des Auftrags an. Die Abbildung zeigt mehrere Preisstufen (A bis G) mit ihren relativen Preisen und den Wahrscheinlichkeiten p (t≤T) je Preisstufe. Betrachtet der Benutzer z. B. die Preisstufe D im Vergleich mit Preisstufe E, so muss er bei D die um 0,3 höhere Wahrscheinlichkeit der Fertigstellung des Auftrags zum gewünschten Termin (p = 1 statt 0,7) mit einem um 40 % höheren Preis bezahlen (Preisrelation 0,7 statt 0,5). Aus Erfahrung im Umgang mit diesem System kann der Benutzer auch abschätzen, welche Preisstufe er möglicherweise am nächsten Morgen wählen müsste, damit sein Auftrag noch rechtzeitig fertig gestellt wird.

Im Beispiel der Abbildung wird der Benutzer die Preisstufen A, B und C nicht wählen, weil die Wahrscheinlichkeit der Fertigstellung nicht größer ist als die der „billigeren“ Preisstufe D. Dies zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit der Fertigstellung entsprechend der Systembelastung laufend aktualisiert werden muss.

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Abb.: Beispiele für Preisstufen (Quelle: Mayerhofer)

W. M. Mayerhofer berichtet auf Grund von Erfahrungen mit diesem Verrech-nungspreissystemdass es den Benutzern leicht fällt, den Nutzenpreis festzulegen. Das System wurde zwischen 1979 und 1994 vom Rechenzentrum der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung GmbH Göttingen (GWDG) verwendet; es wurden 26 Preisstufen angeboten. (Anmerkung: Die Verwendung wurde mit dem endgültigen Übergang von Mainframes auf ein UNIX-Cluster beendet, weil die Administrationssoftware unter UNIX den Einsatz von Prioritätsstufen bzw. Preisstufen nicht unterstützt, nicht jedoch wegen einer mangelnden Eignung von Nutzenpreisen als Verrechnungspreise.)

 Quelle

Mayerhofer, W.: Ansätze einer nicht-verursachungsgerechten Weiter­ver­rech­nung von Rechner­lei­stun­gen. In: Das Rechenzentrum 2/1984, 86-91

Aus der Praxis

Aufgabenverweise

Kontrollfragen

  1. Welchen Zwecken dient die Kosten- und Leistungsrechnung im IT-Bereich?

  2. Warum werden Nutzen- oder Knappheitspreise als Verrechnungspreise empfohlen?

  3. Warum erfordert die Verwendung von Verrechnungspreisen eine sorgfältige Planung der Leistungen und damit der Inanspruchnahme der Kapazität?

  4. Welche weiteren IT-Prozesse sind typische Beispiele für Unterstützungs- und für Managementprozesse?

  5. Wie wird bei Verwendung der Prozesskostenrechnung vorgegangen?

  6. Welche Methoden der Auftragsrechnung werden unterschieden?

  7. Welche Gliederung der Kosten in Kostenarten wird als Mindestgliederung empfohlen?

Quellen

  • Brandl, R. / Bichler, M. / Ströbel, M.: Cost Accounting for Shared IT Infrastructures. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 2/2007, 83–94

  • Droege & Comp. Düsseldorf http://www.droege.de; Abruf 25.1.2008

  • Forrester Research, Inc.: Global IT Budget Composition: 2006; zitiert nach Brandl et al., 83 und 92

  • Gerlinger, A. et al.: Prozessorientierte IV-Leistungsverrechnung – Der Weg zur totalen Transparenz? In: Krcmar, H. / Buresch, A. / Reb, M. (Hrsg.): IV-Controlling auf dem Prüfstand. Wiesbaden 2000, 105–134Klook, J.: Verrechnungspreise. In: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation. 3. A. 1992, 2554–2572

  • Luftman, J. / Ben-Zvi, T.: Key Issues for IT Executives 2010: Judicious IT Investments Continue Post-Recession. In: MIS Quarterly Executive 4/2010, 263–273

  • Mayerhofer, W.: Ansätze einer nicht-verursachungsgerechten Weiterverrechnung von Rechnerleistungen. In: Das Rechenzentrum 2/1984, 86-91

  • SIM-Studie 2010, zitiert nach Luftman/Ben-Zvi, 270

  • Trigonum Studie http://www.trigonum.de/artikel; Abruf: 12.01.2008

  • Völcker Informatik AG: ActiveEntry http//www.activeentry.com; Abruf: 30.4.2008

Vertiefungsliteratur

  • Funke, H.: Kosten- und Leistungsrechnung in der EDV. Stand und Entwurf einer prozessorientierten DV-Kostenverrechnung. Kassel University Press, Kassel 1999

  • Fürer, P. J.: Prozesse und EDV-Kostenverrechnung – Die prozessbasierte Verrechnungskonzeption für Bankrechenzentren. Bern et al. 1994

  • Radisic, I.: Ein prozessorientierter, policy-basierter Ansatz für ein integriertes, dienstorientiertes Abrechnungsmanagement. Dissertation Universität München 2003