Lernziele
Sie kennen den Zweck eines Kennzahlensystems zur Planung, Überwachung und Steuerung der Informationsinfrastruktur und die Anforderungen, die an ein Kennzahlensystem gestellt werden. Sie können Kennzahlen in geeigneter Weise systematisieren. Sie kennen den Aufbau von Kennzahlensystemen und das Vorgehen beim Entwerfen eines Kennzahlensystems. Sie kennen die Konzeption eines Kennzahlensystems, das auf die spezifischen Bedingungen des strategischen Controllings ausgerichtet ist.
Definitionen und Abkürzungen
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Betriebsvergleich (interfactory comparison) = systematische Gegenüberstellung von Kennzahlen eines Unternehmens und denen anderer, vergleichbarer Unternehmen, um Informationen über die relative Stellung des Unternehmens in der Branche zu gewinnen.
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Beziehungszahl (relative figure) = Verhältniszahl, die zwei unterschiedliche, aber in einem Sinnzusammenhang stehende Zahlen in Beziehung setzt.
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BSC = Balanced Scorecard.
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CRM = Customer Relationship Management.
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EVA = Earned Value Analysis / Earned-Value-Analyse.
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Gliederungszahl (constructional figure) = Verhältniszahl, mit der ein Teil einer statistischen Masse zur Gesamtmasse in Beziehung gesetzt wird.
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Indexzahl (index figure) = Verhältniszahl, mit der gleichartige und selbstständige statistische Massen zueinander in Beziehung gesetzt werden; durch Indexzahlen bestimmte Größen können zu Reihen zusammengefasst und Veränderungen der Reihen durch Bezug auf eine gemeinsame Basis verglichen werden.
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Kennzahl (metric) = Zahl über Daten mit konzentrierter Aussagekraft zur Planung, Überwachung und Steuerung eines Systems.
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Kennzahlenanalyse (metric analysis) = systematisches Verfolgen des durch Kennzahlen erkannten Veränderungspotenzials zur Verifizierung und Ursachenerkennung.
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Kennzahlensystem (metric system) = ganzheitlicher Zusammenhang einer Menge von Kennzahlen, die zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenwirken.
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Messgröße (measuring figure) = Eigenschaft eines Objekts, deren Ausprägung mit einer Messmethode ermittelt werden kann. Synonym: Metrik.
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Metrik (metric) = Synonym für Messgröße und für Kennzahl.
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Soll/Ist-Vergleich (target vs. actual comparison) = systematische Gegenüberstellung von Kennzahlen mit Sollwerten und den gleichen Kennzahlen mit Istwerten.
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Spitzenkennzahl (top metric) = Kennzahl, die eine Gesamtaussage zum Untersuchungsbereich erlaubt.
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Validität (validity) = Ausmaß, mit dem eine Messgröße die Eigenschaft, die sie messen soll, auch tatsächlich misst.
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Zeitvergleich (period comparison) = systematische Gegenüberstellung von Kennzahlen mit Werten aus verschiedenen Perioden. Synonym: Periodenvergleich.
Zweck eines Kennzahlensystems
Kennzahlensystematik
Anforderungen an Kennzahlensysteme
Struktur von Kennzahlensystemen
Referenzmodelle
Werkzeuge
Forschungsbefunde
Spitta berichtet über die Verwendung von Basiskennzahlen (Bestandskennzahlen und Prozesskennzahlen) in mittelständischen Industrieunternehmen u. a. (zur Methodik der Untersuchung vgl. Lerneinheit CONTR): 88 % der Antwortenden halten die Erfassung von Basiskennzahlen für wichtig, 62 % geben an, Bestandskennzahlen zu erfassen, 49 % tun dies für Prozesskennzahlen. Die Frage nach einer regelmäßigen Erfassung ergibt jedoch nur 25 %. Aus diesen Befunden wird folgender Schluss gezogen: „Insgesamt ist das Bild der tatsächlich erfassten Kennzahlen ernüchternd, insbesondere wenn man bedenkt, dass nur 11 Unternehmen deren Erfassung für überflüssig halten, 84 aber für sinnvoll.“
Spitta, T.: IV-Controlling in mittelständischen Industrieunternehmen – Ergebnisse einer empirischen Studie. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 5/1998, 424–433
Griese et al. berichten u. a. (explorative Studie in zwölf Unternehmen, Untersuchungszeitraum 1982/1984): Die empirische Kennzahlengewinnung, möglichst für „alle Aktivitätsbereiche der Datenverarbeitung“, wird von vielen DV-Managern als besonders erstrebenswert angesehen und regelmäßig der Wissenschaft als Aufgabe nahe gelegt. Wenn verfügbare Kennzahlen die „überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit der eigenen Datenverarbeitung“ nicht erkennen lassen, werden sie allgemein als „falsch“ deklariert. Die Autoren schließen daraus, dass dem „Kennzahlen-Wesen“ mit großer Skepsis begegnet werden muss; häufig sei die empirische Basis entweder überhaupt nicht oder nicht systematisch nachvollziehbar.
Griese, J. / Obelode, G. / Schmitz, P. / Seibt, D..: Ergebnisse des Arbeitskreises „Wirtschaftlichkeit der Informationsverarbeitung“. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 7/1987, 515-551
Heinrich/Damschik berichten über Ergebnisse einer explorativen Studie, mit der das Kennzahlensystem STRATIV erprobt wurde (schriftliche Befragung, N = 43, Projektzeitraum 9/1993 bis 6/1994). Die Beantwortung folgender Fragen stand im Mittelpunkt des Interesses: 1. Können die Befragten für die verwendeten Messgrößen Daten zur Verfügung stellen? 2. Reichen die Messgrößen nach Art und Anzahl aus, um die Spitzenkennzahl zu ermitteln? Mit den erfassten Daten wurden die in STRATIV verwendeten Kennzahlen ermittelt. Abbildung KENNZ-6 zeigt als Ergebnis die strategische Schlagkraft in drei Branchen (B/V = Banken und Versicherungen; H/G = Handel und Gewerbe; I = Industrie).
Heinrich, L. J. / Damschik, I.: Kennzahlen für das strategische Controlling der Informationsverarbeitung. In: Rauch, W. et al. (Hrsg.): Mehrwert von Information – Professionalisierung der Informationsarbeit. Konstanz 1994, 461-470
Aus der Praxis
Demonstrationsbeispiel
Es wird ein Beispiel für das Top-down-Vorgehen beim Entwerfen eines Kennzahlensystems für das strategische Controlling gezeigt (Kurzbezeichnung: STRATIV). Zunächst wird die Spitzenkennzahl von der Überlegung ausgehend konstruiert, dass Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der IT die Haupteinflussgrößen dafür sind, dass das Leistungspotenzial der Informationsfunktion in Unternehmenserfolg umgesetzt werden kann.
Abbildung 1: Strategische Schlagkraft als Spitzenkennzahl
Bei Verwendung der Dimensionen Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit können zwei Situationstypen unterschieden werden: strategisches Gleichgewicht und strategisches Ungleichgewicht. Jede Informationsinfrastruktur hat eine bestimmte Position im Gleichgewicht oder Ungleichgewicht (vgl. Abbildung 1), die als strategische Schlagkraft bezeichnet wird. Die Abbildung zeigt auch, welche Positionen die Informationsinfrastruktur im Spannungsfeld von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit einnehmen, d. h. wie unterschiedlich ihre strategische Schlagkraft sein kann, und welche Richtungen das Informationsmanagement bei der Veränderung der strategischen Schlagkraft verfolgen kann (1 nach 2, 1 nach 3 und 1 nach 4) und dass eine gleichzeitige Verbesserung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit am schnellsten aus der strategischen Überdehnung ins strategische Gleichgewicht führt (also 1 nach 4).
Abbildung 2: Relative strategische Schlagkraft als Spitzenkennzahl
Zur vollen Entfaltung der strategischen Schlagkraft ist es erforderlich, gleichzeitig so viel Wirksamkeit wie nötig und so viel Wirtschaftlichkeit wie möglich zu realisieren. Wenn Technologieverfügbarkeit für alle Mitbewerber ein Datum ist, dann wird die Positionierung der IT in erster Linie durch das Verhalten der Mitbewerber bestimmt, was zum Begriff der relativen strategischen Schlagkraft führt. Für ihre Messung wird der Abstand zwischen der strategischen Schlagkraft des betrachteten Unternehmens und der strategischen Schlagkraft jeder seiner Haupt-Mitbewerber und/oder der Durchschnittswert der strategischen Schlagkraft seiner Haupt-Mitbewerber verwendet. Abbildung 2 zeigt dies an einem Beispiel: Das Unternehmen A hat – verglichen mit seinen Haupt-Mitbewerbern B, C und D – eine relative strategische Schlagkraft (die durch Pfeile gekennzeichnet ist) bzw. die In-formationsinfrastruktur der Haupt-Mitbewerber weist gegenüber dem Unternehmen A eine strategische Lücke auf, die nicht nur das Schaffen neuer Wettbewerbsvorteile mit Hilfe der Informationsinfrastruktur unmöglich macht, sondern auch das Erhalten bestehender Wettbewerbsvorteile gefährden kann.
Abbildung 3 zeigt die weiteren Schritte beim Top-down-Vorgehen zur Konstruktion des Kennzahlensystems für Kennzahlen, die auf der strategischen Ebene von Bedeutung sind. Zur Präzisierung ist folgendes erforderlich:
- Definition der Beziehungen zwischen den Kennzahlen, um die Werte untergeordneter Kennzahlen in Werte übergeordneter Kennzahlen zusammenfassen zu können (bei der Erfassung der Istwerte) bzw. um die Werte übergeordneter Kennzahlen in Werte untergeordneter Kennzahlen auflösen zu können (bei der Vorgabe von Sollwerten und bei der Kennzahlenanalyse).
- Definition von Messgrößen zur Vorgabe der Sollwerte und zur Erfassung der Istwerte; diese können selbst wieder zu Kennzahlen zusammengefasst sein.
Abbildung 3: Strategisches Kennzahlensystem STRATIV
Quelle
Heinrich, L. J. / Damschik, I.: Kennzahlen für das strategische Controlling der Informationsverarbeitung. In: Rauch, W. et al. (Hrsg.): Mehrwert von Information. Konstanz 1994, 461-470
Aufgabenverweise
Kontrollfragen
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Welcher Zusammenhang zwischen Daten und Information und welche Unterschiede zwischen beiden sind für die Konstruktion eines Kennzahlensystems relevant?
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Mit welchen Arbeitsschritten kann der Konstruktionsprozess für ein Kennzahlensystem beschrieben werden?
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Welche weiteren, in der Lerneinheit nicht genannten Phänomene des IT-Bereichs sind als Business Enabler oder als Treiber besonders erfolgskritisch?
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Welchen Beitrag liefern Referenzsysteme für die Konstruktion eines IT-Kennzahlensystems?
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Welche Schlussfolgerungen sind aus den Forschungsbefunden im Hinblick auf aktuelle Forschungsbedarfe zum Forschungsgegenstand Kennzahlensysteme zu ziehen?
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Welchen Zweck haben Kennzahlen bzw. hat ein Kennzahlensystem?
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Welchen Anforderungen muss ein Kennzahlensystem genügen?
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Welche Probleme können bei der Anwendung eines Kennzahlensystems auftreten?
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Welche Kennzahlen sind typisch für den IT-Bereich?
Quellen
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Basili, V. R. / Caldiera, G. / Rombach, H. D.: Goal Question Metric Paradigm. In: Marciniak, J. J. (Ed.): Encyclopedia of Software Engineering. New York 1994, 528-532
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Heinrich, L. J. / Damschik, I.: Kennzahlen für das strategische Controlling der Informationsverarbeitung. In: Rauch, W. et al. (Hrsg.): Mehrwert von Information. Konstanz 1994, 461-470
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Hofmann, E.: Kennzahlensysteme für Outsourcing-Dienstleistungen. Siemens Communication Consulting, Frankfurt a. M. 2003
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Jonen, A. et al.: Balanced IT-Decision Card. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 3/2004, 196-203
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Kaplan, R. S. / Norton, D. P.: Balanced Scorecard. Stuttgart 1997
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Kathmann, H. / Maicher, M.: Kennzahlensystem für einen konzerngebundenen IT-Dienstleister. In: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik 254/2007, 16-26.
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Stelzer, D. / Bratfisch, W.: Earned-Value-Analyse - Controlling-Instrument für IT-Projekte und IT-Projektportfolios. In: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik 254/2007, 61-70
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TCW GmbH München – Kennzahlen-Cockpit: http://www.tcw.de/static_pages/view/34; Abruf 29.4.2011
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Vertiefungsliteratur
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Gladen, W.: Performance Measurement - Controlling mit Kennzahlen. 3. A., Wiesbaden 2005
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Heinrich, L. J. / Damschik, I.: Kennzahlen für das strategische Controlling der Informationsverarbeitung. In: Rauch, W. et al. (Hrsg.): Mehrwert von Information - Professionalisierung der Informationsarbeit. Konstanz 1994, 461-470
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Horváth, P.: Controlling. 11. A., München 2009
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Kaplan, R. S. / Norton, D. P.: Die strategiefokussierte Organisation - führen mit der Balanced Scorecard. Stuttgart 2001
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Reb, M. / Herr, R.: IV-Infrastruktur-Controlling - Kennzahlengestützte Steuerung der IT-Ressourcen. In: Krcmar, H. et al. (Hrsg.): IV-Controlling auf dem Prüfstand. Wiesbaden 2000, 75-103
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Reichmann, T.: Controlling mit Kennzahlen und Management-Tools. 7. A., München 2006
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Van Solingen, R. / Berghout, E.: The Goal/Question/Metric Method. New York 1999
Normen
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DIN 69903: Projektwirtschaft - Kosten und Leistung, Finanzmittel - Begriffe. 1987
Links
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Abbildungsarchiv: Kennzahlensysteme (KENNZ)