Fallstudie: VORMO - Vorgehensmodell

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Zweck des Vorgehensmodells

Aus dem Phasenschema wird ein Vorgehensmodell, wenn die auszuführenden Tätigkeiten und die aus den Tätigkeiten entstehenden Resultate konkret be­schrieben werden (vgl. Lerneinheit PROMA). In das Vorgehens­modell werden Methoden und Techniken und die sie unterstützenden Werk­zeuge „eingehängt“. Das Vorgehens­modell ist also so­wohl Produk­tions­systematik (Tätigkeiten, Er­geb­nisse, Tätig­keits­folge, Ter­mine, Kosten usw.) als auch Kon­struk­tions­syste­ma­tik (Metho­den, Tech­niken, Werkzeuge). Das Vor­gehens­mo­dell ist universell, wenn es nur eine Grob­struktur der Tätigkeiten, Resultate, Methoden usw. und da­mit des Vor­gehens angibt und dem Anwender die Verfeinerung, die situativ ge­wählt wird (z.B. in Ab­hängig­keit von dessen Qualifikation), überlässt. Anwender, die über ein Vor­ge­hens­mo­dell verfügen, das dem Stand der Tech­nik entspricht und dieses nach­weis­bar auch verwen­den, erfüllen eine wesentliche Vor­aus­setzung der ISO 9000-3 zur Zertifizierung nach ISO 9000 (vgl. Lerneinheit NORMQ). Wegen der Bedeutung der Audits im Vorgehensmodell wird auf Lerneinheit REVAU hin­ge­wiesen.

Ob das im Folgenden gezeigte Vorgehensmodell diesen Ansprüchen gerecht wird, kann nach dem Durcharbeiten dieser Lerneinheit beantwortet werden. Was offen geblieben ist und warum dies so ist, wird bei der Interpretation in den Lehr­ver­anstaltungen diskutiert. Der Autor dankt der Porsche Bank AG Salzburg für die Erlaubnis, das in ihrem Hause entwickelte Vorgehensmodell im Lehr­betrieb ver­wenden zu dürfen. Geringe formale Änderungen wurden vom Autor vorgenom­men. Bei der im Folgenden genannten Porsche Informatik handelt es sich um ein kon­zern­eigenes Systemhaus, mit dem längerfristige Arbeitsvereinbarungen über die Ausla­gerung der Abwicklung von IS-Projekten bestehen.

 

Präambel

Dieses Vorgehensmodell ist ein verbindliches Rahmenmodell für alle IS-Pro­jek­te der Porsche Bank AG. Es regelt die Phasen, die Pro­jekte in der vorgegebenen Rei­henfolge durchlaufen müssen, gibt die wich­tigsten Tätigkeiten innerhalb der Pha­sen an und definiert die Verant­wort­lichen für Durch­führung und Validierung. Es definiert das Mini­mum an Audits, die während der Projektlaufzeit durch­zuführen sind, mit denen sichergestellt wird, dass bei jedem IS-Projekt die Regeln des Vor­gehensmodells beachtet bzw. in Ausnahmefällen begründet nicht beachtet wurden. Wer­den einzelne Pha­sen des Vorgehensmodells bei einem Projekt nicht durch­geführt, ist in der Projektdokumentation eine Begründung dafür anzugeben.

 

Rollen

Die Inhaber folgender Rollen haben im Rahmen des Vorgehensmodells Aufgaben zu übernehmen und Verantwortung wahrzunehmen:

  • Lenkungsausschuss (LA)
  • Projektsteuerungsgremium (SG)
  • Projektleiter (PL)
  • Projektproponenten (PP)
  • Nutzervertreter (NV)
  • Auditor (AU)

Syntax-Darstellung

  • Tätigkeit (Verantwortlicher)
  • Ergebnis; optional wenn in ()
  • (Archiv: Verweis auf Ablage eines Dokuments)

Projektphasen

1 Ideenfindung

Für die Ideenfindung gibt es kein Regelwerk. Wenn jedoch aus einer Projektidee ein Projekt werden soll, müssen folgende Tätigkeiten durchgeführt werden.

  • Projektproponenten aus dem Kreis der Führungskräfte identifizieren (Ideen­liefe­rant)
    • Name Projektproponent (PP)
  • Idee dokumentieren (PP)
    • informelles Dokument
  • Ziele, die mit der Realisierung der Projektidee erreicht werden sollen, so präzis wie möglich bestimmen und dokumentieren (PP)
    • Protokoll Ziele, Kosten-/Nutzenanalyse
  • alle betroffenen Struktureinheiten (Abteilungen und Prozesse) identifizieren und Linienmanagement informieren (PP)
    • Liste Struktureinheiten / Information
  • über die Aufnahme der Projektidee in das Projektportfolio entscheiden (LA)
    • Protokoll / Ergänzung des Projektportfolios

       

2 Initialisierung

Die Initialisierung eines Projekts kann nur durch den LA erfolgen.

  • Planungsziele für das Projekt vorgeben (LA)
    • Planungsziele im Projektauftrag
  • Nutzenpotential validieren (LA)
    • Validiertes Nutzenpotential im Projektportfolio
  • Zeit-/Kostenbudget für Vorstudie vorgeben (LA)
    • Vermerk im Projektauftrag
  • Produktlebenszyklus festlegen (LA)
    • Vermerk im Projektauftrag
  • Projektsteuerungsgremium nominieren (LA)
    • Vermerk im Projektportfolio und im Projektauftrag
  • Projektorganisation festlegen (LA)
    • Vermerk im Projektportfolio und im Projektauftrag
  • Projektleitung bestellen (LA)
    • Vermerk im Projektportfolio und im Projektauftrag
  • Betroffene im Haus und bei Porsche Informatik informieren (LA)
    • informelles Dokument
  • Projekt initialisieren und Projektauftrag zur Vorstudie formulieren (LA)
    • Initialisierungsvermerk im Projektportfolio
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll
  • Projektauftrag zur Vorstudie erteilen (LA)
    • Projektauftrag zur Vorstudie

3 Vorstudie

  • grobe Istzustandsuntersuchung durchführen (PL)
    • Dokument Istzustandsbeschreibung
  • Sachziele aus Planungszielen ableiten und festlegen; Nicht-Ziele explizit nennen (PL)
    • Kernfunktionen
    • Leistungskriterien
    • Schnittstellen im neuen System und zum Umsystem
  • Formalziele aus Planungszielen ableiten und festlegen (SG)
    • Flexibilitätsziele
    • Portabilitätsziele
    • Sicherheitsziele
    • Kostenziele, Betriebsziele, Wartbarkeitsziele, Wiederverwendbarkeit
    • weitere Formalziele in Abhängigkeit vom Projektgegenstand (insbesondere Umfang und Komplexität)
  • Vollständigkeit & Widerspruchsfreiheit des Zielsystems überprüfen (PL)
    • Prüfungsvermerk
  • Grundkonzeption entwerfen (PL)
    • alternative Konzepte
  • Alternativen evaluieren & Empfehlung erstellen (PL)
    • Evaluierungsverfahren
    • Begründung der Empfehlung
  • Optimale Alternative auswählen und entscheiden (LA)
    • gewählte Alternative
  • Umfang Projektauftrag entscheiden (inkl./exkl. Realisierungsphasen) (LA)
    • Vermerk und Projektauftrag für Phasen 4 und 5 (oder für alle Folgephasen) formulieren
    • Projektauftrag
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll
  • Projektauftrag erteilen (LA)

4 Feinstudie

  • Istzustandsanalyse durchführen (PL)
    • Stärken/Schwächen-Katalog
  • Grundkonzeption anpassen (PL)
    • Fachkonzept
    • (Prototyp)
  • Fachkonzept abnehmen (NV)
    • Abnahmevermerk
  • Abnahmebedingungen für Endprodukt festlegen (PL/NV)
    • Abnahmevereinbarung
  • Projektplan fortschreiben (PL)
    • aktualisierter Projektplan
  • Einsatzplan erstellen (PL)
    • Zeitplan
    • Ablaufplan
    • Checkpoints bei Datenübernahmen / -initialisierungen
    • Alternativen für Problemsituationen
    • Gesamtabläufe
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll

5 Systementwurf

  • System in Teilprojekte gliedern (PL)
    • Systemgliederung
  • Datenmodell entwerfen (PL)
    • Datenmodell (Prototyp)
  • Methodensystem konzipieren (PL)
    • Methodensystem (Prototyp)
  • Interaktionsmodell konzipieren (PL)
    • Interaktionsmodell (Prototyp)
  • Sicherungssystem entwerfen (PL)
    • Systemsicherheitskonzept
    • Berechtigungskonzept
  • Teilprojekte integrieren (PL)
    • Integrationskonzept
    • Systemdokumente vervollständigen (wenn erforderlich mit Eignung für Aus­schreibung) (PL)
    • vollständige Entwurfsdokumentation
    • (Kriterienkatalog für Ausschreibung)
  • Schulungskonzept und Testkonzept entwerfen (PL)
    • Schulungskonzept
    • Testkonzept
  • Entscheidung über Ausschreibung fällen (LA)
    • Protokoll
  • Ausschreibung lt.. Prozedur VMOD_AU.SAM durchführen (PL)
    • Ausschreibungsunterlagen
  • Realisierungsauftrag formulieren (PL)
    • Realisierungsauftrag
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll
  • Realisierungsauftrag erteilen (LA)
    • Vermerk Auftragserteilung

6 Implementierung

6.1 Erstellung Individual-Software

  • Prototyp erstellen (PL)
    • Prototyp
  • Prototyp abnehmen (NV)
    • Abnahmevermerk
  • Programm erstellen (Porsche Informatik)
    • Programm
    • Anwender-, System- und Projektdokumentation
  • Testfälle lt. Prozedur VMOD_TP.SAM definieren und durchführen (PL)
    • Testprotokoll

6.2 Zukauf Standard-Software

  • Adressaten für Ausschreibung identifizieren (PL)
    • Adressliste
  • Ausschreibungszeitplan festlegen (PL)
    • Zeitplan
  • k.o.-Kriterien festlegen (LA)
    • Kriterienkatalog
  • Ausschreibung lt. Prozedur VMOD_AU.SAM durchführen (PL)
    • Angebote
  • Angebote evaluieren und Empfehlung erarbeiten (PL)
    • Evaluierungsergebnisse
    • Begründung der Empfehlung
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll
  • Auswahl und Entscheidung (LA)
    • Protokoll

7 Installation und Projektabschluss

  • Installations- und Abnahmevoraussetzungen schaffen (PL)
    • Installationsplan
    • Abnahmeplan
    • Serviceebenen-Vereinbarung
  • Installation durchführen (PL)
    • Installationsvermerk
  • Abnahmetest durchführen (PL)
    • Abnahmevermerk
  • Übergabezeitraum definieren (PL)
    • Protokoll
  • System produktiv setzen (PL)
    • Vermerk im Projektportfolio
  • Ex-post-Evaluierung (LA)
    • zusammenfassende Projektdokumentation
    • Kostendarstellung
    • Darstellung der Zielerreichung
  • Audit durchführen (AU)
    • Auditprotokoll
  • Entlastung PL (LA)

Quellenliteratur

Bröhl, A. P. / Dröschel, W. (Hrsg.): Das V-Modell. Der Standard für die Softwareentwicklung mit Praxisleitfaden. 2. A., Oldenbourg, München/Wien 1995

Heinrich, L. J.: Systemplanung 2 Bd. 7. A. (Bd. 1) bzw. 5. A. (Bd. 2), Oldenbourg, Mün­chen/Wien 1996 bzw. 1994

Wiemers, M.: Ein Vorgehen für das Einführen eines Vorgehensmodells. In: Kneuper, R. et al. (Hrsg.): Vorgehensmodelle für die betriebliche Anwendungsentwicklung. Teubner, Stuttgart/ Leipzig 1998, 249 - 263