Zweck des Projekthandbuchs
Ein Projekthandbuch (kurz PROHB oder PHB) soll die Projektarbeit erleichtern, indem alle für ein Projekt wesentlichen Aufgaben und die zur ihrer Durchführung verwendeten Methoden und Werkzeuge sowie einzuhaltende Standards dokumentiert sind. Ein PHB ist einerseits ein allgemeines Dokument, andererseits ein spezielles Dokument. Allgemeines Dokument ist ein PHB im Sinn von Regeln oder im Sinn einer Richtlinie (oder eines Konzepts oder Vorbilds) für das Erstellen eines speziellen Dokuments (oder eines Modells oder Abbilds). Mit anderen Worten gesagt gibt es ein - zweckmäßigerweise elektronisch verfügbares - Standard-Dokument, nach dessen Regeln jedes Projekt abgewickelt und dokumentiert wird. In Abhängigkeit von Art und Umfang der Projektaufgabe werden die Regeln angepasst, insbesondere bezüglich Feinheit der Gliederung und Tiefe der Darstellung je Gliederungspunkt.
Das PHB soll die Projektabwicklung transparent machen, und zwar sowohl im Sinn von Vorschau, als auch im Sinn von Nachschau. Transparent im Sinn von Vorschau meint, dass das PHB die beabsichtigte Art und Weise der Projektabwicklung offen legt. Transparent im Sinn von Nachschau meint, dass das PHB die tatsächliche Projektabwicklung so aktuell wie möglich widerspiegelt. Das PHB ermöglicht daher - was die Projektplanung betrifft - teilweise Vorwärtsdokumentation, und was die Projektabwicklung betrifft (weitgehend) Simultandokumentation ;(vgl. Lerneinheit DOKUM). Dies ist weniger für Projektleitung und Projektmitarbeiter von Bedeutung, als vielmehr für potentielle Auftraggeber, die das PHB als Nachweis über die Qualitätsfähigkeit des Auftragnehmers (vgl. Lerneinheit NORMQ) verwenden, als auch für Kunden, die das PHB als Informationsmittel über den Projektstatus verwenden (falls weitgehend simultan dokumentiert wird). Diese Forderung nach Transparenz der Projektplanung und Projektabwicklung ist umso bedeutsamer, je neuartiger die Projektaufgabe ist; bei sich wiederholenden Projektaufgaben kann Transparenz auch ohne PHB hergestellt werden.
Ein PHB „lebt“, da es sich mit der Veränderung der Kundenforderungen, der Projektaufgabe und der Arbeitssituation verändert. Seine Systematik muss laufend an Veränderungen angepasst werden, ohne jedoch Kontinuität und Vergleichbarkeit völlig außer acht zu lassen. Da das PHB nicht eine mögliche Projektabwicklung, sondern die gewollte Projektabwicklung vorgibt bzw. dokumentiert, können Veränderungen am PHB nur den Veränderungen der tatsächlichen Arbeitssituation folgen, nicht aber umgekehrt. Diese Bemerkungen verdeutlichen die Notwendigkeit einer kompetenten Instanz (z.B. ein für das Qualitätsmanagement Beauftragter) für das PHB als Vorbild, die auch für die Schulung der Projektleitung und der Projektmitarbeiter in der Handhabung des PHB als Abbild zuständig ist.
Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement sind die Handbuchteile Konfigurationsmanagement und Claim-Management.
- Konfigurationsmanagement ist die Aufgabe der Verwaltung der vollständigen fachlich-inhaltlichen Definition und Beschreibung eines Produkts, die in Dokumenten niedergelegt sind und die benötigt werden, um das Produkt zu fertigen sowie über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg nutzen und warten zu können.
- Claim-Management ist das Verfahren („die Art und Weise“), in der Ansprüche, Beanstandungen und Mängelrügen des Auftraggebers durch den Auftragnehmer behandelt werden.
Ein PHB definiert in einer für alle Beteiligten auf Auftragnehmer- und Auftraggeberseite nachvollziehbaren Form den Herstellungsprozess für Produkte und Dienstleistungen, mit dem die Qualitätspolitik des Auftragnehmers implementiert ist. Da die Formulierung der Qualitätspolitik Aufgabe des Top-Managements ist, muss das PHB vom Top-Management selbst oder im Auftrag durch Dritte geprüft werden und von ihm bestätigt sein. Das PHB kann mit dem Qualitätsmanagement-Handbuch (kurz QM-Handbuch, vgl. Lerneinheit QMHB) identisch sein. Dies ist der Fall, wenn sich das QM-System nur auf die Unternehmensteile bezieht, deren Aufgaben in Form von Projekten bearbeitet werden bzw. wenn dies für die Unternehmensaufgaben insgesamt zutrifft (z.B. in Software- und Systemhäusern). Diese Bemerkung weist darauf hin, dass Zweck und Inhalt verschiedener Managementbereiche (z.B. Projektmanagement, Qualitätsmanagement, Revision und Controlling) zu einem Managementsystem zusammenwachsen, dessen Regeln dann konsequenterweise auch in einem integrierten Managementhandbuch konsolidiert dokumentiert sind.
So wie das QM-Handbuch, kann das PHB in mehrere Ebenen gegliedert sein, womit den Anforderungen entsprochen wird, Informationsmittel nach außen (insbesondere gegenüber potentiellen Kunden) und nach innen (insbesondere als konstruktive QM-Maßnahme) zu sein. Im folgenden Beispiel werden drei Ebenen verwendet, und zwar:
- Auf der ersten Ebene sind die Qualitätspolitik, die Verantwortlichkeiten sowie die Abläufe im QM-System einschließlich der QM-Maßnahmen beschrieben; das verwendete Begriffssystem ist erläutert.
- Auf der zweiten Ebene sind die Verfahrensanweisungen beschrieben, die organisatorische, personelle und technische Details enthalten.
- Auf der dritten Ebene befinden sich die im Allgemeinen als Arbeitsanweisungen bezeichneten Dokumente.
Auftraggebern und Dritten gegenüber wird mindestens die dritte Ebene, häufig auch schon die zweite Ebene als vertraulich behandelt; sie enthält bzw. sie enthalten das spezifische Know-how des Auftragnehmers im Detail, das ausdrücklich nicht weitergegeben werden soll. Moderne QM-Systeme führen nur noch die erste Ebene in Papierform; die Daten der Ebenen zwei und drei werden auf Datenbanken geführt, auf die die Berechtigten von jedem Arbeitsplatz aus zugreifen können (vgl. das in Lerneinheit QUMHB gezeigte Beispiel).
Gliederung Projekthandbuch
Im Folgenden wird die Systematik eines Projekthandbuchs für Projekte gezeigt, deren Gegenstand Software-Systeme zur Automatisierung von Produktionsanlagen der Verfahrensindustrie (z.B. Chemische Industrie) sind. Sie eignet sich für neuartige Projektaufgaben ebenso wie für Projektaufgaben gleicher oder ähnlicher Art.
- Allgemeines mit folgenden Gliederungspunkten: Präambel, Projektübersicht, Basisdokumente, Projektpartner, Erstellung und Aktualisierung des PHB, Verteilung und Revision des PHB.
- Zusammenarbeit mit dem Kunden mit folgenden Gliederungspunkten: Konsultationen und Abstimmungen, gemeinsame Reviews, Vertragsänderungen, Abnahme- und Leistungstests.
- Organisation mit folgenden Gliederungspunkten: Ansprechpartner, Teammitglieder, Aufgaben der Teammitglieder.
- Dokumentation mit folgenden Gliederungspunkten: Dokumentation der Standard-Hardware und Standard-Software, der Anwendersoftware, Handbücher (z.B. Bedienerhandbuch und Diagnosehandbuch), Zeichnungsnummernsystem, Motor- und Komponentenliste, Archivierung, Standardformate.
- Beschaffung, Lieferung und Installation mit den bei „Dokumentation“ genannten Gliederungspunkten, gegebenenfalls untergliedert nach Komponenten (z.B. Rechnersysteme und elektrotechnische Ausrüstungen).
- Lieferungen und Leistungen des Kunden mit folgenden Gliederungspunkten: Spezifikation, Systemschnittstellen, Überwachung der Herstellung und Abnahmeprozedur.
- Projektmanagement mit folgenden Gliederungspunkten: Terminplan und Terminverfolgung (Meilensteine und Fortschrittskontrolle), Personaleinsatzplan, Behandlung offener Fragen, Projektende.
- Konfigurationsmanagement mit folgenden Gliederungspunkten: Kennzeichnung von Dokumenten und Arbeitergebnissen, Übernahme von Elementen und Konfigurationen, Durchführung von Änderungen, Archivierung alter Versionen/Konfigurationen, Datensicherung.
- Prüfungen mit folgenden Gliederungspunkten: Verantwortlichkeiten, Prüfungsobjekte (Ergebnisse und Tätigkeiten), Prüfungen (Prüfplan, Prüfgegenstände, Prüfspezifikation, Prüfprozedur und Prüfprotokoll).
- Systementwicklung mit folgenden Gliederungspunkten: Pflichtenheft, Entwurf, Implementierung, Integration, Vergabe an Externe, Werksabnahme.
- Claim-Management mit folgenden Gliederungspunkten: Kundenforderungen, Mehrleistungen, Mängel.
- Standards mit folgenden Gliederungspunkten: Standards, Methoden, Werkzeuge, Konventionen, Formulare.
- Glossar
- Literaturverzeichnis