Fallstudie: FINST - Fallstudie Strategie-Entwicklung

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Ausgangssituation

Mit IT-Strategie; werden das Konzept, die Perspektive oder die Art und Weise bezeichnet, in der die strategischen IT-Ziele verfolgt und letztlich durch stra­te­gische Maß­nahmen erreicht werden sollen (vgl. Lerneinheit STRAT). Sie enthält keine Aussagen über die strategischen Maß­nahmen, sondern „gibt die Richtung an“­, in der bei der Verfol­gung der strategischen IT-Ziele vor­ge­gan­gen werden soll. Die IT-Stra­tegie steckt also den Handlungsspielraum für die strategische Maßnah­men­planung ab. Das Entwickeln der IT-Stra­tegie wird weder mit der Formulierung strategischer IT-Ziele, noch mit der stra­te­gi­schen Maßnah­men­planung gleich­gesetzt, sondern als Brücke zwischen diesen zwei strategischen Planungsaufgaben verstanden. Dies wirft die Frage nach dem In­halt der IT-Strategie sowie danach auf, wie bei Strategie-Entwicklung vorge­gan­gen wer­den soll. Beides wird mit dieser Fallstudie gezeigt.

Im gegenständlichen Projekt war ein Ergebnis der IT-Diagnose (in der Form, wie dies in Lerneinheit FSITA gezeigt wird) die Feststellung, dass die stra­te­gi­schen Aufgaben des Informationsmanagements nicht definiert und - also Folge davon - keiner Instanz ausdrücklich zuge­ordnet sind. Das Top-Management erkannte durch die IT-Diagnose die Notwendigkeit der Wahrnehmung der strategischen Aufgaben und seine eigene Verantwortung dafür. Es folgte daher der Empfehlung der IT-Diagnose, einen Len­kungs­ausschuss einzusetzen und ihm strate­gische Aufgaben des Informa­tions­managements zu übertragen, insbesondere die strategische Maß­nah­men­planung. Der Lenkungsausschuss wurde dem Vor­stand unterstellt und an ihn berichtspflichtig gemacht. Durch die Entwicklung und Implemen­tierung der IT-Strategie wurde der Hand­lungsspielraum für den Lenkungsausschuss festgelegt.

Vorgehensmodell

Der Vorstand entschied sich für die Hinzuziehung von externen Projektbegleitern mit mehrjähriger Erfahrung beim Entwickeln von IT-Strategien. Er beauftragte sie, unter Verwendung ihrer Kenntnisse über das Unternehmen und insbesondere über den Zustand der Informationsinfrastruktur, die sie durch die IT-Dia­gnose erworben hatten, zunächst ein Strategie-Konzept zu erarbeiten und dem Vorstand vorzu­le­gen. Auf Basis des Strategie-Konzepts wurde eine ganztätige Joint Session durch­ge­führt, an der alle Vorstandsmitglieder und die beiden Projektbegleiter teilnah­men; einer der Projektbegleiter moderierte die Sitzung. Struktur und Inhalt des Strategie-Konzepts wurden besprochen, Teile davon verändert, verworfen, ergänzt usw., bis Konsens über die nun vorliegende Roh­fas­sung der IT-Strategie erreicht wurde.

Die Rohfassung der IT-Strategie wurde von den Projektbegleitern überarbeitet und bis zu einem Reifegrad weiterentwickelt, der eine Verabschiedung durch den Vor­stand möglich machen sollte. In einer zweiten, halbtägigen Joint Session wur­de die nun vorliegende Fassung in Details verbessert und zur Weiter­gabe frei­gegeben. Die Weitergabe erfolgte anlässlich der konstituierenden Sitzung des Len­kungsaus­schus­ses, der inzwischen vom Vorstand nominiert worden war. Der Lenkungs­aus­schuss wurde mit der IT-Strategie verpflichtet, dem Vor­stand jährlich einmal über den Zustand der IT aus Sicht des Top-Managements zu berichten, jährlich die IT-Strategie zu über­prüfen und - falls erfor­derlich - Anpassungen vorzuschlagen.

Inhalte der IT-Strategie

Im Unterschied zu der in der Fachliteratur meist verwendeten Gliederung der strategischen Planung werden „strategische IT-Ziele“ und „IT-Strategie“ hier in einem Dokument „IT-Strategie“ zusammengefasst. Das Do­kument beginnt mit einer Prä­ambel, die grundlegende, das heißt für alle nach­fol­genden Inhalte der IT-Stra­tegie geltende Aussagen enthält (z.B. Aussagen über den Stellenwert der IT im Unter­nehmen, also über ihre Bedeutung für die Erreichung der Unterneh­mens­ziele). Sie enthält auch eine Kennzeichnung des Charakters der IT-Strategie, der im Beispiel­fall als moderat be­zeich­net wird (vgl. Lern­einheit STRAT).

Der Inhalt der IT-Strategie ist in 16 Cluster geordnet; das Cluster „Insti­tutiona­lisie­rung der IT“ ist in sechs Teilcluster gegliedert (z.B. Lenkungsausschuss, Pro­jekt­organisation). Jedes Cluster bzw. Teilcluster spricht kritische Erfolgs­fak­toren der IT an, das heißt Eigenschaften, ohne deren explizite Beachtung im Sinn der IT-Strategie durch alle an der Informationsverarbeitung Beteiligten eine spürbare negative Auswirkung auf den Unternehmenserfolg prognostiziert werden kann. Fol­gende Cluster wurden verwendet:

  1. Institutionalisierung
  2. Investitionsmanagement
  3. Architekturmanagement
  4. Plattform- und Systemmanagement
  5. Entwicklungs- und Beschaffungsmanagement
  6. Partizipationsmanagement
  7. Schnittstellen- und Integrationsmanagement
  8. Bestands- und Lebenszyklusmanagement
  9. Organisationsmanagement
  10. Qualitätsmanagement
  11. Technologiemanagement
  12. Controlling und Revision
  13. Methoden- und Werkzeugmanagement
  14. Projektmanagement
  15. Sicherheits- und Katastrophenmanagement
  16. Migrationsmanagement

Der Umfang des Dokuments beträgt rd. 30 Seiten einschließlich Präambel, IT-Ziele und Schlagwortverzeichnis. Im folgenden werden die Inhalte zu 3. bis 6. wiedergegeben, um zu zeigen, mit welcher Präzision und in welchem Umfang Aussagen der IT-Strate­gie formuliert sein sollten (zuviel Inhalt ist ebenso schäd­lich wie zu­wenig Inhalt).

Architekturmanagement

 

Die IT-Architektur regelt die grundlegenden Merkmale der Informations­verar­beitung. Sie besteht aus der Informationsarchitektur, die als Datenarchitektur, Anwendungssystemarchitektur und Kommunikations­architektur konkretisiert ist. Darüber hinaus gibt es eine Technologie­architektur, welche die grundle­gen­den Merk­male der verwen­deten bzw. der verwend­baren Hardware- und Soft­ware-Tech­nologien festlegt.

  • Die Informationsarchitektur baut auf der gegebenen Struktur- und Ablauf­orga­nisation auf, die aus den Unternehmenszielen abgeleitet wird.
  • Mit der Datenarchitektur, der Anwendungssystemarchitektur und der Kommu­nika­tionsarchitektur wird die Informationsarchitektur in Teilarchitekturen zer­legt und präziser beschrieben.
  • Auf den Teilarchitekturen wird die Technologiearchitektur aufgebaut.

Die IT-Architektur wird von der Organisationseinheit Informations­mana­gement in Abstimmung mit dem Lenkungs­aus­schuss geschaffen und gepflegt. Sie wird in geeigneter Weise dokumentiert. Soweit IT-Architektur bereits vorhanden ist, erfolgt ihre Do­ku­mentation umgehend, um darauf aufbauend ihre Weiter­ent­wick­lung betrei­ben zu können.

Jede wesentliche Veränderung der Informationsverarbeitung erfolgt auf Grund­lage der geltenden IT-Architektur und einer Verträglichkeitsprüfung durch die Organi­sa­tions­einheit Informations­mana­gement. Das Ergebnis jeder Ver­träglich­keits­prü­fung ist zu doku­men­tieren.

Die Konsolidierung der IT-Architektur ist ein evolutionärer Prozess, der sich über mehrere Jahre erstrecken wird und erst im Zusammenhang mit der Neuaus­richtung der Informationsverarbeitung zu einem vorläufigen Abschluss kommt. Im Vor­der­grund steht das Streben nach Integration der einzelnen Kom­po­nenten bei Wahrung der Einfachheit.

Plattform- und Systemmanagement

Plattformen werden durch die derzeit verwendete Hardware und die darauf instal­lierten Betriebssysteme gebildet. Systeme sind bestimmte Hardware- und Soft­ware-Produkte einer Plattform.

Plattformvielfalt und Systemvielfalt innerhalb der Plattform werden so klein wie möglich gehalten; dies gilt für Hardware und für Software.

Bei Veränderungen der Informationsverarbeitung mit der Folge größerer Inve­sti­tionen wird vom Lenkungsausschuss die Prüfung veranlasst, ob ein Platt­form­wech­sel bzw. ein Systemwechsel zweck­mäßig ist. Dabei ist das Innovations­po­tential neuer Technologien und Syste­me zu berücksichtigen, das möglichst ge­nutzt wer­den soll.

Prüfung und Entscheidung über einen Plattform- bzw. Systemwechsel erfolgen unter Verwendung der strate­gischen IT-Ziele Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, wobei grundsätz­lich Verbesse­run­gen in beiden Richtungen angestrebt werden. Im Zweifel hat die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Priorität.

Plattformauswahl und Systemauswahl innerhalb einer Plattform orien­tie­ren sich an folgenden Grundsätzen:

  • weg von monolithischen Strukturen, hin zu verteilten Systemen;
  • weg von proprietären Systemen, hin zu offenen Systemen;
  • weg von veralteten Programmiertechniken, hin zu zeitgemäßen und leistungs­fähigen Software-Entwicklungstechniken;
  • weg von veralteten Datenhaltungstechniken, hin zu verteilten, flexiblen und ein­fach zu wartenden Datenverwaltungssystemen;
  • weg von Insellösungen, hin zu integrierten Software-Systemen.

Grundsätzlich wird Client/Server-Systemen gegenüber Host­syste­men als Hard­ware-Plattform der Vorzug gegeben.

Als Kommunikationsplattform in den Niederlassungen und Tochter­gesell­schaften wird Intranets gegenüber herstellerspezifischen Lösungen der Vorzug ge­geben. Wo immer möglich, werden die Intranets über das Internet ver­bunden.

Entwicklungs- und Beschaffungsmanagement

Die für die Informationsproduktion erforderlichen Nutzungsfaktoren (mensch­li­che Arbeitsleistung und IT-Mittel) und Verbrauchsfaktoren (Dienst­lei­stun­gen wie Beratung und Schulung, Sachmittel wie Papier und Toner sowie Energie) sind bei definierter, anforderungs­gerechter Qualität mit den geringst­ möglichen Kosten zu entwickeln bzw. zu beschaffen.

Die Entscheidung zwischen Eigenfertigung oder Fremdbezug (Outsourcing) fällt auf Grund der Ergebnisse der in jedem Einzelfall durchgeführten Make-or-Buy-Analyse nach einer dafür von der Organisationseinheit Informations­management fest­gelegten Methode. Eine Argumentebilanz ist in jedem Fall zu erstellen.

Bei Eigenfertigung von IT-Mitteln wird nach dem Vorgehensmodell vor­gegangen.

Für den Fremdbezug von IT-Mitteln werden von der Organisations­ein­heit Infor­ma­tionsmanagement Beschaf­fungsprozeduren verwendet, wobei auf die Evaluie­rung der zu be­schaf­fenden Produkte und Dienstleistungen bzw. der Anbie­ter geachtet wird. Pro­dukte und Dienstleistungen verschiedener Lieferanten müssen so wirk­sam und wirtschaftlich wie möglich kombiniert werden können (sogenanntes Cafeteria-Prinzip).

Partizipationsmanagement

Entwurf, Entwicklung, Implementierung, Installierung von Informations­syste­men sowie Evaluierung, Beschaffung und Einsatz jeder Art von IT-Mitteln erfolgen auf­gaben- und personenorientiert durch Einbindung der Mitar­beiter in die entspre­chenden Arbeitsprozesse. Dabei sind zu berücksichtigen:

  • die verrichtungs- und zielorientierte Sichtweise mit dem Zweck, die Abwick­lung der Arbeitsprozesse zu verbessern (z.B. die Bearbeitungszeiten zu redu­zieren und Bearbeitungsfehler zu vermeiden);
  • die ergonomische Sichtweise mit dem Zweck, die Benutzbarkeit der Infor­ma­tions­systeme zu erleichtern (z.B. den Lernaufwand für die Benutzung zu redu­zieren);
  • die technikpsychologische und sozioökonomische Sichtweise mit dem Zweck, die Eigenverantwortlichkeit zu erhöhen (z.B. durch Steigerung der Aufgaben­vielfalt und Entlastung von Routinearbeit).

Mitarbeiter sind ausdrücklich nicht Erfüllungsgehilfen der Technik. Jeder Ein­satz von IT-Mitteln dient der Unterstützung der Mitarbeiter bei der sach­gerechten, auf die persönliche Arbeitssituation abgestimmten Auf­ga­ben­erledi­gung. Motivation und Leistungsfähigkeit sollen durch entspre­chende System­ge­staltung gesteigert werden, um die Errei­chung der Unterneh­mens­ziele zu unter­stützen.

In welcher Form die Einbindung der Mitarbeiter im einzelnen erfolgt, hängt von der Art der Veränderung ab und wird im Vorgehensmodell geregelt.

Regelungen im Detail erfolgen durch die Projektplanung für jedes einzelne Projekt. Die projektspezifischen Regelungen bewegen sich in dem durch das Vorge­hens­modell gegebenen Handlungsspielraum. Zuständig für die Planung und Realisie­rung der projektspezifischen Regelungen ist die Projektleitung. Die geplante und die tat­sächlich realisierte Partizipation wird nach Art und Umfang in der Projekt­doku­mentation festgehalten.

Aufgaben- und Methodenverweise

Strategie-Entwicklung (Lerneinheit STRAT)

Literatur

Heinrich, L. J. / Pomberger, G.: Entwickeln von Informatik-Strategien - Vorgehensmodell und Fallstudien. In: Lausen, G. et al. (Hrsg.): Angewandte Informatik und Formale Beschrei­bungs­verfahren. Teubner-Texte zur IT. Teubner, Stuttgart/Leipzig 1999, 108 - 127

Siehe auch die in der Lerneinheit STRAT angegebene Quellen- und Vertie­fungs­literatur.